Britney ohne Höschen, Jackie ohne alles
Wer im hintersten Raum der Schirn-Ausstellung »Paparazzi. Fotografen, Stars, Künstler« ankommt, erblickt endlich den, um den es rund 500 geschlagene Bilder, Fotos und Filmclips lang in dieser Schau tatsächlich geht: sich selbst! Der US-amerikanische Künstler Jonathan Horowitz hat dazu auf den oberen Rand eines längs gestellten rechteckigen Spiegels den Zeitungskopf des britischen Boulevardblattes »Daily Mirror« vom 12. September 2005 gedruckt und den unteren in fetten schneeweißen Lettern mit der Schlagzeile »Cocaine-Kate – Supermodel Kate Moss snorts line after line«.
Über das hübsche Wortspiel mit Line und Mirror hinaus vermittelt das Selbstbild des Voyeurs an der Stelle des im doppelten Sinne fehlenden Stars, auf wen sich der Boulevardjournalismus in all seinen Auswüchsen stützt und verlassen kann. Horowitz’ Arbeit gehört zu jenem Teil der Schau, der das Paparazzi-Phänomen künstlerisch reflektiert. Hier, im dritten Block, sind neben Gerhard Richter, Richard Harrison, Andy Warhol und Cindy Sherman auch die verblüffenden Fakes von Alison Jackson zu bestaunen: Der Mittelfinger der erbosten Ladi Di, George Bushs aussichtsloser Kampf mit dem Rubik-Würfel und die Queen durch den Türspalt auf dem Klo. Am eindrucksvollsten ist die Paparazzi-Inspiration »Junior Suite« von Thomas Demand, die Whitney Houstons letzte Mahlzeit im berühmten Beverly Hilton festhält, die der Künstler auf Basis von Zeitungsfotos ermittelte. Demand hat sich für das geisterhafte Bild eingemietet und das entsprechende Menü bestellt.
Der erste Teil der Ausstellung fokussiert die Bilderjäger selbst, ihren Paria-Status, ihre Geräte vom Superzoom bis zur Minilinse, ihre Strategien und die Methoden, mit denen sie ihre Opfer allein oder im Rudel zur Strecke bringen zu suchen. Unter acht spektakulären Spielfilmszenen mit Paparazzi findet sich auch Frederico Fellinis »Dolce Vita« mit dem nervenden Fotografen Paparazzo, dem die Spezies ihren Namen verdankt.
Der Hauptkomplex »Stars« breitet das weite Panorama der Jagdszenen aus. Hier finden sich die legendären Schnappschüsse der nackten Jacky Onassis und höschenlosen Britney Spears, die geglückten Provokationen, die einen Mick Jagger zum Tassenwerfen verleiten. Einer der Superpaparazzi, Ron Galella, hat seine schmerzhaften Erfahrungen mit den Leibwächtern von Marlon Brando zur Selbstinszenierung genutzt und sich an der Seite des Stars mit Kopfschutz ablichten lassen. Auf ihre ambivalente Rolle wiesen die Fotografen Brigitte Bardot bereits in den 60ern mit einem Boykott (siehe Foto oben). Wer nicht fotografiert wird, ist auch kein Star.
Unterm Strich zeigt die Ausstellung wenig, was in einem Museum für Kommunikation nicht berechtigter untergebracht gewesen wäre. Oder im Ikonen-Museum, das sich in der Ägide der Kuratorin Snejanka Bauer fundiert mit den Kults um Marilyn Monroe oder auch Fußballstars befasste. Dass es dem aufwändig inszenierten Spektakel nicht an Zuspruch mangelt, da sind Britney, Paris und Jackie vor. Es gibt auch interessante Diskussionen.