Auf den Spuren von Becketts Clowns bringt die Frankfurter Theatermacherin Hannah Schassner eine weitere Seite ihres Talents zum Leuchten. Sie hat sich »Niemand. Eine paradiesische Groteske« nicht nur ausgedacht, sondern auch Wort für Wort verfasst und selbstverständlich inszeniert – unter Mithilfe von Anna Hasche (Bühne) und Marijke Wehrmann (Kostüme) sowie von Léa Zehaf und Julius Ohlemann als Darstellenden.
Zwei Figuren mit Hüten in hautengen schwarzen Morphsuites mit ultraviolett angestrahlten Ranken im Scham- und Rippenbereich, die wir mal ganz unverwegen Adam und Eva nennen, finden sich auf einer noch dunklen zweigeteilten Bühne ein, um dort – am Anfang ist das Wort – in einen Dialog zu treten. Nicht ganz wie aus dem Nichts, denn wir sind nicht nur im Paradies, sondern doch auch im Zirkus, auf den der aufklingende Gladiatoren-Marsch und die Ringmaster-Begrüßung verweisen. Schön, dass Sie da sind! Dann aber treten Zehaf und Ohlemann aus der Finsternis in die Manege und in aufflammende Lichtkegel, die gleich wieder verschwinden. Während sie, Léa-Eva, auf der Genesisebene – »Es werde Licht« – mit der Technik (Ist es Gott? Ist es der Zirkusdirektor?) hadert, versucht er, Julius-Adam, in immer neuen Anläufen, bei denen ein Wort das andere ergibt, zur Sprache zu finden. Niemand habe ihm gesagt, warum er heute hier stehen – und reden – und von seinem Leben erzählen – und sein Innerstes nach außen kehren soll, ist fast alles, was er von sich zu sagen weiß. Keine Frage, dass der so Ausgelieferte in den Bann und in die Abhängigkeit seiner ihn dompteurhaft anweisenden Bühnenpartnerin gerät. Etwas später kehrt sich in einem Re:Start das Verhältnis der beiden zum ersten Mal, und dann noch ein zweites Mal um – und schreitet so, angereichert mit dem jeweils erworbenen Wissen, in einer Art dialektischem Dreischritt Stufe um Stufe weiter.
Es liegt auf der Hand, dass die immer wieder angesprochene Titelfigur »Niemand« niemand anders als die Regisseurin sein kann. Sie allein ist es, die diese Figuren schuf, und die damit auch deren sich wie von selbst ergebende Geschichte in Gang gesetzt hat. Eine Geschichte, die uns erzählt, wie aus den unterschiedlichen Wissensständen Machtgefälle entstehen, die sich Szene um Szene verfestigen.
Oder doch nicht? Hätte es anders verlaufen können zwischen ihr und ihm, Eva und Adam? Es ist faszinierend, wie der sich allein aus Worten, Sätzen und Bildern eruierende Sog spielerisch das Publikum mitzunehmen vermag – was nicht zuletzt auch Verdienst des tollen Spiels und der fast zur dritten Bühnenfigur werdenden Lichtregie ist. Ein mit leichter Hand dahingezaubertes Stündchen feinsinnigen, intelligenten Spaßes, das man sich einfach gönnen muss. Und nicht entgehen lassen sollte.
gt / Foto: © Christian Schuller
Termine: 16., 17. Juli, jeweils 20 Uhr
www.landungsbruecken.org