Landungsbrücken: Paradiesmedial spielt Lausunds »Tür auf, Tür zu«

Draußen vor der Tür ist, wer nicht dazu gehört. Das trifft auf den Kriegsheimkehrer Beckmann in Wolfgang Borchardts so benanntem Stück genauso zu, wie auf die Angestellte Anneliz in Ingrid Lausunds Groteske mit dem sonst für Klipp-Klapp-Komödien verwendeten Titel »Tür auf, Tür zu«. Zum Lachen gibt es gleichwohl reichlich in diesem 2011 verfassten Werk, freilich auch eine Menge zum Runterziehen. Wer schon einmal erlebt hat, von jetzt auf gleich außen vor zu sein, im Beruf und anderswo nicht mehr gewollt zu werden, dürfte eine Menge Déja-vu-Erlebnisse haben. Wer nicht – und darüber hinaus noch völlig empathielos ist –, wird diesem Stück Absurdes Theater wenigstens allerlei surrealen Witz abgewinnen können. Wozu auch gehört, dass eine sprechende Tür mit limitiertem Wortschatz und ein von nur einer Person gespielter Chor zum Bühnenpersonal gehören.
Realisiert wird das Lausund-Stück unter der Regie von Hannah Schassner vom Theaterprojekt »paradiesmedial«, das von der Autorin schon 2021 »Der Bandscheibenvorfall« auf die Bühne des Frankfurter Landungsbrücken-Theaters brachte. Sämtlich im Bluesbrothers-Outfit. agieren sie auf drei zum Publikum laufenden Fünf-Meter-Lauf-Bahnen. Birte Sieling als Anneliz sowie Christoph Maasch und Sebastian Huther im Bluesbrother-Outfit abwechselnd als die erwähnte Tür und in zirka 50 (!) Rollen als Kollegen der Protagonistin. Dazu hat es neben zwei Stühlen, drei Tröten, allerlei Schnickschnack und vor allem Musik in der Dauerschleife.
Erzählt wird, wie die rund 50 Jahre alte Angestellte Anneliz sich nach einer Pause im Freien anschickt, zurück zu der auf Hochtouren laufenden Party ihrer Firma zu gehen, aber plötzlich die Tür verschlossen vorfindet. Ein Irrtum, ein technischer Defekt, vermutet sie zunächst, eine Verwechslung gar. Und dann nach erstem Unmut, na klar, dass es ein Scherz sein muss – von »Dingens«, der sich für eine wohl etwas zu scharfe Bemerkung an ihr rächen will. Erst als klar wird, dass niemand an Scherze denkt und Kollegen vorgeben, sie nicht mal zu kennen, kommt die ihrer Unersetzlichkeit so Gewisse ins Wanken. Lausund schickt die Ausgestoßene auf eine Talfahrt der Gefühle, die den Sterbensphasen zu gleichen scheint. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, durchlebt sie Unglauben und Fassungslosigkeit, Panik, Wut und Verzweiflung – bevor sie diesen kleinen Tod akzeptiert.
Eingeleitet wird der Abend laut, heftig und kostümgemäß mit der »Everybody-needs-Somebody«-Performance von John Belushi und Dan Aykroyd, während im weiteren Verlauf Michael Schanzes »1, 2 und 3«-Jingle aus dem Kinderfernsehen die Protagonistin von einer Ohnmacht in die nächste trägt. Mehr passiert auf der Handlungsebene nicht, doch zu erleben gibt es allerhand, wenn Birte Sielings unbändige Anneliz die gesamte Skala ihrer Stimmungen ausreizt, bis hin zum ultimativen Versuch, die verdammte Tür zu bezirzen. Nichts weniger als ein Ereignis ist ihre energiegeladene Performance, die von Christoph Maaschs trocken-kantiger Präsenz und Sebastian Huthers schier unerschöpflichen Typen- und Stimm-Jonglagen wirkungsvoll unterstützt, fast mühelos über anderthalb Stunden nachhaltiger Unterhaltung trägt, an der man zu knabbern hat.

Winnie Geipert / Foto: © Christian Schuller
Termine: 25., 26. Januar, 20 Uhr (+ 13. Februar in der Stalburg)
www.landungsbruecken.org

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