Ja, es gibt einen Jeep in dieser Aufführung, wenn auch nur en miniature. Das Teil steht auf dem Jobcenter-Schreibtisch des Sachbearbeiters Gabor links hinten auf der Bühne (rechts der vom Kollegen Armin) und ist als Frucht jahrelangen Sparens dessen ganzer Stolz. Weshalb Nora Abdel-Masoud ihr nun auch von der Theaterperipherie in Bockenheim aufgeführtes Erfolgsstück allerdings »Jeeps« getauft hat, bleibt gleichwohl ein Rätsel. Heißt halt so.
Kein Rätsel ist, dass das herrschende Erbrecht in Deutschland soziale Ungerechtigkeit zementiert. Ob man reich oder arm aufwächst, wird in erster Linie mit der Geburt und damit per Zufall entschieden – durch die »Eierstocklotterie« wie Abdel-Maksoud das hier nennt. Ihre Satire aber stellt das Erbrecht auf den Kopf zugunsten einer Erbschaftslotterie, die künftig allen die gleiche Chance ermöglicht, reich zu werden, und ausgerechnet vom Jobcenter veranstaltet wird. Kammerspielartiger Schauplatz des Stücks ist die Behörde, in der der pedantische Gabor und das ihm vorgesetzte Ekel Armin es mit Maude, eine Bürgergeld-Langzeitbezieherin, und der frisch enterbten Influencerin Silke Eggert zu tun kriegen – jeder und jede im Quartett ein wenig überdreht in seiner und ihrer Art – mit Folgen. Man kann es auch einen Laborversuch nennen, der vor dem erschreckenden Hintergrund von realen wie von surrealen Praktiken der Arbeitsvermittlung mit bösem Witz und nicht ohne Klamauk in einem bewaffneten Aufstand mündet.
Die Regisseurin Ute Bansemir hat das Spiel mit Marcel Andrée (Armin), Emrah Erdogrù (Gabor), Mirrianne Mahn (Silke Eggert) und Silvana Morabito (Maude) besetzt, allesamt schauspielerische Eigengewächse der Theaterperipherie. Von Beginn an machen sie klar, dass es hier nicht um Illusionen, sondern um ein Theaterexperiment geht. Sie stellen sich und ihre Rollen vor, bauen miteinander auf und treten – wie es auch die Autorin vorsieht – immer wieder aus der Handlung, um ihre Rollen und Situationen zu reflektieren, bevor es weitergeht oder gar noch einmal eine Szene wiederholt wird. Es ist ein Arrangement, das dem insgesamt recht handlungsarmen Stück erst seine Würze verleiht, indem es das Publikum immer wieder mitnimmt auf die Reise in ein mit realen Fakten gespicktes Sozialstaats-Absurdistan. Mit im Spiel ist in der Frankfurter Inszenierung auch der Schlagzeuger Tariq Ali Khan, der mit pointierten Einsätzen die Rhythmik dieser Szenenkomposition unterstreicht.
Beredt sind indes auch die Kostüme der Darsteller: das doch sehr schlichte Herrenoutfit der Büronaturen versus dem rotgemusterten Schottenanzug Maudes und der gelb-blauen Kombi Silke Eggerts. Denn es sind wesentlich die exzentrischen Auftritte der Frauen, die richtig Farbe in diese gewagte, manchmal rumplige, gleichwohl inspirierende Umsetzung eines faszinierenden Gedankenspiels bringen, die mit dem Jobcenter-Blues von Silvana Morabitos beeindruckender Maude als Höhepunkt unter großem Jubel ausklingt.
Theaterperipherie: Abdel-Maksouds »Jeeps« stellt das Erbrecht auf den Kopf
