Ein junger Mann, der gerade seinen Job verloren hat, und eine junge Frau aus einer wohlhabenden Familie. Im Iran hat dieses Liebespaar keine guten Aussichten auf eine gemeinsame Zukunft. Man wundert sich sogar, dass der Junge mit seiner alleinstehenden Mutter eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bei den Eltern des Mädchens bekommen hat. Doch reichen dessen Ersparnisse für deren Einwilligung in eine Ehe?
Frankfurt-Vorpremiere in Anwesenheit von Regisseur Behrooz Karamizade
mit anschließendem Filmgespräch am 9. Jan. um 20.30 Uhr in der Harmonie.
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Der im Iran geborene und an der Kunsthochschule Kassel ausgebildete Filmemacher Behrooz Karamizade hat aus dieser x-ten Romeo-und-Julia-Variation ein Drama gemacht, das durch seine Unmittelbarkeit überrascht. Denn die Liebe zwischen Amir (Hamid Reza Abbasi) und Narges (Sad Asgari) bildet zwar das Zentrum des Films, das nicht nur unsere Aufmerksamkeit, sondern auch unser Mitgefühl weckt, weil sich beide so natürlich und ungezwungen geben. Aber der Film bleibt nicht bei der Liebesgeschichte stehen, sondern zeichnet auch ein Bild vom Iran, wie es hierzulande nicht im Fernsehen zu sehen ist.
Da kommt es schon früh zu einer unvorstellbaren Szene in einem Hotel. Der Chef gibt Amir die Anweisung, den Speisesaal für eine Hochzeitsfeier zuzusperren, weil der Bewirtungs-Vorschuss noch nicht bezahlt ist. Als sich Amir weigert, weil er meint, dass man die Hochzeit nicht platzen lassen dürfe, wird er rausgeworfen, obwohl sich Gast und Gastgeber inzwischen über die Finanzierung geeinigt haben.
Nach erfolglosen Jobnachfragen in der Stadt, fährt Amir, der ein guter Schwimmer ist, mit seinem Motorrad an die entfernte Küste und heuert bei den Fischern an, die einen schlechten Ruf haben. Und in der Tat wird von Amir Geld für Kost und Logis verlangt, bevor er den ersten Rial für seine Arbeit bekommen hat. Nicht nur beim Einholden des großen Netzes herrscht ein rauer Ton. Wer das Netz beschädigt, bekommt einen Abzug von seinem ohnehin kargen Lohn.
Überhaupt das Geld! Alles drehe sich ums Geld, klagt Amir. Und um genügend Geld für seine Mitgift zu bekommen, die Narges’ Existenz sichern soll, lässt er sich auf den illegalen, nächtlichen Stör-Fang ein und liefert einem Nobel-Restaurant die teuren Kavier-Dosen am Hintereingang.
Wie so oft in strengen Diktaturen gibt es im Iran einen blühenden Schwarzmarkt (in »Taxi Teheran« haben wir schon den Handel mit raubkopierten DVDs mit westlichen Kinohits kennengelernt). Es empfiehlt sich also, mit harmloser Miene an Polizeikontrollen vorbei zu fahren. Nach Angaben des Regisseurs wurde der gesamte Film mit deutschem Geld produziert und im Iran gedreht. Vor allem die Straßenszenen wirken authentisch und sind wohl nicht ohne Risiko entstanden. Weil Unverheiratete sich nicht als Paar ausgeben dürfen, treffen sich Amir und Narges auch an abgelegenen Orten und fahren allenfalls zusammen auf Amirs Motorrad.
So wird die Beziehung zwischen beiden immer problematischer. Denn während Amir am Kaspischen Meer zu Geld zu kommen versucht, wehrt Narges einen von ihren Eltern vorgeschlagenen Bewerber nach dem anderen ab. Als sie mitbekommt, dass ihr Liebster in kriminelle Machenschaften verwickelt ist, kommt es zum Streit.
Karamizade, der auch das Drehbuch geschrieben hat, will Klassengegensätze im Teheran zeigen und die Ausweglosigkeit für diejenigen, die nicht zum Establishment gehören. Als einen Vertreter der Aufbegehrenden führt er den regimekritischen Blogger Omid (Keyvan Mohammadi) ein. Er ist Amirs Zimmergenosse und Freund unter den Fischern. Weil er seine Verhaftung befürchtet, bietet ihm Amir an, ihn übers Kaspische Meer nach Aserbaidschan zu schippern. Doch die nächtliche Überfahrt geht schief, und Omir wird aus dem kleinen Boot gespült.
Es bleiben also nicht viele Möglichkeiten, die Geschichte zu einem guten Ende zu führen. Aber als ein Vertreter des iranischen Autorenkinos, das mittlerweile Übung darin besitzt, das Publikum nachdenklich, aber hoffnungsvoll zurückzulassen, findet Karamizade auch für sein Werk eine Lösung. Er ist jedenfalls für »Leere Netze« – der Titel ist nicht wörtlich zu nehmen – bei mehreren Filmfestivals (u.a. in München mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino und in Karlovy Vary mit dem Special Jury Prize) ausgezeichnet worden, und der Film bekam beim Hessischen Filmpreis den Newcomerpreis.