BRD 1974: Pünktlich zur Fußballweltmeisterschaft bestellt der Büroangestellte Ewald Müller, ehemals als Bergmann unter Tage, einen Farbfernseher beim Versandhaus Quelle. Das teure Gerät soll im neuen Partykeller seinen Platz finden, denn Müller plant, gemeinsam mit den Nachbarn alle Begegnungen der bundesdeutschen Nationalmannschaft anzuschauen. Die Idee ist ein Erfolg. Schon zu den Vorbereitungsspielen findet sich bei Bier, Schnaps und Wurstbroten eine fidele Runde aus vier Herren zusammen. Und der Gastgeber schmiedet einen perfiden Plan, dessen Bösartigkeit selbst den verwundern dürfte, der weiß, was Müller regelmäßig seiner Teenagertochter Steffi antut. »Ein Mörder Roman« lautet der Untertitel dieser tiefschwarzen Geschichte, denn was in Müllers Partykeller geschieht, überlebt keines der Opfer des Männerquartetts.
Der Roman »Das Wunder von Runxendorf« von Michael Wäser führt uns zurück in eine Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs, die in der Erinnerung gerne poppig bunt dargestellt wird. Doch das ist nur die Oberfläche. Hinter den Fassaden der properen Vorortsiedlungen herrscht brutale männliche Gewalt und archaische Lust. Täter und Opfer zugleich ist Müllers Sohn Gerald, ein halbwüchsiger Tunichtgut und Herumtreiber, der von seinem Vater zum willfährigen Werkzeug abgerichtet wird.
Präsentiert wird dieser alptraumhafte Plot in einem umgangssprachlichen Plauderton, der den verstörenden Effekt der Lektüre noch verstärkt, zumal die Identität des nicht immer gut informierten Ich-Erzählers erst in der Mitte des Romans gelüftet wird. Dieser Kunstgriff ist nur ein Beispiel für den virtuosen Umgang des Autors mit seinem abgründigen Stoff, den man so schnell nicht vergisst.
Joachim Feldmann (Foto: © Michael Wäser)
Michael Wäser: Das Wunder von Runxendorf. Ein Mörder Roman. Axel Dielmann Verlag, Frankfurt 2021. 224 Seiten. 20 Euro.