Mode ist ein ideales Filmthema, denn sie lebt vom Reiz der Oberfläche, vom Augenschein, der Aufmerksamkeit provozieren soll. Das verbindet sie mit dem Kinofilm, und dort wird sie zumeist als dekoratives Beiwerk verwendet, während sich nur wenige Filme mit ihrer Bedeutung für die Figuren befassen. So gesehen muss die Verfilmung des Romans von Paul Gallico auch als eine filmische Chance angesehen werden.
Die Geschichte spielt in den 1950er Jahren. Mrs. Harris (Lesley Manville) ist in London eine Hausangestellte, wie man sie sich hilfsbereiter nicht wünschen kann. Wenn nur irgend möglich, erfüllt sie jeden Wunsch ihrer Arbeitgeber. Zu denen zählt Lady Dant (Anna Chancellor), die gerade in Paris ein Kleid aus dem Hause Dior gekauft hat. In dieses Kleid verliebt sich die brave Mrs. Harris – so ein schönes Gewand möchte sie haben. Und deshalb beginnt sie, auf einen Flug nach Paris und den stattlichen Kaufpreis von 500 britischen Pfund zu sparen.
Regisseur Anthony Fabian, der zusammen mit Carroll Cartwright, Keith Thompson und Olivia Hetreed auch das Drehbuch verantwortet, hat den unrealistischen Weg der Londoner Hausangestellten mitten ins Zentrum der Pariser Haute Couture und wieder zurück als ein Märchen gestaltet. Mrs. Harris muss durch einige Tiefen gehen: Eine amtliche Mitteilung macht sie von einer vermutlichen zur tatsächlichen Kriegerwitwe, eine verlorene Wette beim Windhundrennen verwandelt sich dann doch in einen Gewinn, der Flug verzögert sich, und schließlich braucht es eine Rolle Geldscheine in wirtschaftlich harten Zeiten und einen guten Engel in Form des bejahrten Marquis de Chassagne (Lambert Wilson), damit sie überhaupt in die Modenschau des Hauses Dior gelangen kann. Der verwitwete Marquis geleitet sie kurzentschlossen an der hochnäsigen Direktorin Claudine Colbert vorbei, die von Isabelle Huppert gespielt wird, als hätte sie zeitlebens nichts anderes getan.
In der Modenschau fällt die einfach gekleidete Hausangestellte auch durch ihre deutliche Bewunderung der schönen Roben auf. Das Kleid, das sie ausgewählt hat, geht dann erst einmal an eine Stammkundin, und die kaum im Modetempel Gelittene muss für eine nach ihren Maßen angefertigte Kopie länger in Paris bleiben.
Die Modenschau ist besonders für die Zuschauerinnen unter uns ein Genuss, doch leider passt der Stil der Pariser Kollektion nicht zu dem von Lady Dant gekauften Kleid, das aus einer längst vergangenen Kollektion zu stammen scheint. Ein weiteres Geheimnis des Films bleibt, wie das endlich fertig genähte Kleid in den kleinen Koffer passt, mit dem Mrs. Harris nach London zurückkehrt. Und noch unerklärlicher ist, wie das dralle Mädchen hineinpasst, das es an einem Abend ausführen darf.
Gravierender ist allerdings, dass diese Mär von der Erfüllung eines Herzenswunsches mit einer von Mrs. Harris angeführten Angestelltenrevolte »bereichert« wird. Allzu schnell kommt die Einwilligung des Patriarchen Christian Dior (Philippe Bertin), das schwierige, auf Exklusivität beruhende Geschäftsmodell in ein massentauglicheres umzuwandeln. Nach diesem sozialkämpferischen Intermezzo versucht der Film, im Akzeptieren der Klassengegensätze ein versöhnliches, nicht immer stimmiges Ende zu finden.
Zumindest in den ersten zwei Dritteln ist »Mrs. Harris und ein Kleid von Dior« ein herzerwärmende Komödie, ein visuelles Vergnügen in den zurückgenommenen Technicolorfarben des damaligen britischen Films (Kamera: Felix Wiedemann) und bis in die kleinste Rolle hinein bilderbuchhaft besetzt.