Museum für Kommunikation feiert 100 Jahre BH

kunst_mfk_bh_03_Body_Talks_Chantelle_Pin_UpHoch soll er leben

Ganz fraglos hat der Büstenhalter auch eine kommunikative Seite. Trotzdem erstaunt, wenn ein Museum für Kommunikation (MfK) sich dazu berufen fühlt, das 100-Jahre-Jubiläum dieses intimen Wäscheteils mit einer Ausstellung zu würdigen. Mit dem schönen Titel »Body Talks« kriegt das Haus am Frankfurter Schaumainkai freilich die rhetorische Kurve: Es präsentiert den BH als Idiom der Körpersprache im Wandel der Zeit.
Auch wenn Wikipedia das nicht ganz bestätigt: Als offizielle Erfinderin des BH gilt die Amerikanerin Mary Phelps-Jacob, von der die Sage erzählt, dass sie als 19-Jährige anlässlich eines Schulballs im Jahre 1910 fürchterlich unhappy mit ihrem unbequemen und obendrein  sich auf dem Kleid abzeichnenden Stabkorsett gewesen sei. Mit Nadel und Faden habe sie flugs eine Wohlfühlalternative aus Bändern und seidenen Taschentüchern gefertigt und dafür jede Menge Komplimente erhalten. Vier Jahre später erst, 1914, hat Mary P-J ihr Körbchen-Konstrukt als Patent eingereicht, das unter der Regie der Warner Brothers umgehend den weltweiten Siegeszug des Bras einleitete.
Die Schau ist nicht ausladend balconette, sondern übersichtlich auf einen Raum beschränkt und erzählt über zehn Stationen, die jeweils für eine Dekade stehen, die Büstenhalter-Geschichte von den Anfängen bis heute. Dabei kommen für jeden Zeitabschnitt Promis zu Wort, und in jeder Abteilung ein zu seiner Zeit gewagtes Utensil, das eher versteckt gehalten wurde. Mehr als 100 Exponate, vom Korsett über den Bikini bis zum Push-up und Wonderbra, sind in Vitrinen zu bestaunen, dazu gibt es Filme und Videos. Indes will das MfK keine Textil- oder Modenschau veranstalten, sondern eine Kulturgeschichte erzählen, die dem gesellschaftlichen Wandel der Frauenrolle und des Schönheitsideals Rechnung trägt.
Diese zeigt dabei auch, wie das zunächst befreiend empfundene Textil, das in den 20ern einherging mit Kurzhaarfrisuren und Hosenanzügen der sich im Berufsleben immer stärker engagierenden Frauen, zu einem Symbol der weiblichen Unterdrückung und Zurichtung wie auch zum Skandalon wurde. Die Station der Siebzigerjahre lässt den BH durch Abwesenheit glänzen. Die emanzipierte Frau verzichtete ganz auf das Teil und ging oben ohne. Dass radikale Feministinnen öffentliche Verbrennungen veranstaltet hätten, ist allerdings eine Mär. In seiner jüngsten modischen hautfarbenen Erscheinung des »Tata-Tops« übrigens, auch der ist hier Thema, sieht der BH mit aufgedruckter Brustwarze so aus, als wäre er gar nicht da.
Dazu passt die hier ebenfalls erfahrbare Geschichte der Bild-Lilli. Die nach dem Vorbild einer Comic-Zeichnung gefertigte Puppe wurde von der US-Spielzeugfirma Martell entdeckt und als Vorbild für Barbie genutzt. Die ersten dafür in Deutschland produzierten Modelle kamen zum Entsetzen der Amerikaner allerdings mit aufgemalten Brustwarzen an und mussten mit Feilen nachbehandelt werden.

Lorenz Gatt
Bis 15. Februar 2015: Di.–Fr. 9–18 Uhr; Sa., So. 10–18 Uhr
www.mfk-frankfurt.de

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