Die Oper Frankfurt hat ihr Programm für die neue Spielzeit 2022/23 vorgestellt, die letzte des langjährigen GMD Sebastian Weigle. Neben der unverwüstlichen »Zauberflöte« (Premiere am 2.10.) und den »Meistersingern« (Premiere am 6.11. mit Weigle am Pult) wird es spannende Projekte abseits der ausgetretenden Pfade geben. Hier eine Auswahl: als Frankfurter Erstaufführung ist »Die Zauberin« von Peter Tschaikowski geplant (4.12.). Ein relativ später Vierakter um Liebe, Eifersucht und Begierden, der sich kaum durchgesetzt hat – obgleich, wie es heißt, der Komponist sie für seine beste Oper hielt. Erst in den 50er Jahren und seit 2000 hat es in Bremen, Antwerpen, Wien und Lyon erfolgreiche Aufführungen gegeben.
»Blühen« ist ein Auftragswerk der Oper Frankfurt an den slowenischen Komponisten Vito Zuraj. Es wird am 22.1.23 Premiere im Bockenheimer Depot haben. In sieben Bildern, frei nach einer Erzählung (»Die Betrogene«) von Thomas Mann wird die Handlung geschildert: »Eine Frau verliebt sich in einen Mann, der ihr Sohn sein könnte.Sie hat das Gefühl, eine körperliche Verjüngung zu erleben, und wird auf dem Höhepunkt ihrer Hingabe mit der Nachricht konfrontiert, unheilbar krank zu sein« (Text aus der Opernankündigung). Die unermüdliche Brigitte Fassbaender wird wieder einmal Regie führen. Ebenfalls für Aufführungen im Depot werden zwei Kostbarkeiten, »Kirchenparabeln«, von Benjamin Britten angekündigt (ab 2.4.2023): »The Prodigal Son« (die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn) und »The Burning Fiery Furnace« (Der Gesang der Jünglinge« aus dem Buch Daniel). Aufhorchen lässt auch eine Kombination des Einakters »Der Zar lässt sich fotografieren« von Kurt Weill mit »Die Kluge« von Carl Orff (Premiere am 9.4.23). Beide Werke sind Unterhaltungsmusik im besten Sinne.
»Die ersten Menschen«, ein Musikdrama um Adam und Eva, Kain und Abel, wird wohl die letzte Premiere von Sebastian Weigle am Pult des Opernorchesters sein (2.7.23). Es ist ein Werk des mit nur 28 Jahren im ersten Weltkrieg gefallenen Komponisten Rudi Stephan, dessen tonale Musiksprache entfernt an Schreker erinnern mag und dennoch sehr eigenwillige, sinfonisch-fesselnde Klangflächen entwickelt. Wer sich auf dieses vor 102 Jahren in Frankfurt uraufgeführte Tongemälde einlässt, wird nachvollziehen können, dass mit Rudi Stephan ein hoffnungsvolles Genie viel zu früh verloren gegangen ist.
Bernd Havenstein / Foto: Barbara Aumüller