»An Tagen wie diesen«, wenn antisemitische Strömungen manchenorts ungehemmt ihre Bahnen ziehen, brutale Anschläge und Kriege eine ganze Welt in Atem halten – »an Tagen wie diesen« kommt wieder so etwas wie Endzeitstimmung auf. Resignation, die sich an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert noch geschönt als »Fin de Siècle«, Ende des Jahrhunderts äußerte und damals – wie heute – nicht nur Minderheiten betraf. Im Wien jener Jahre rückten Musiker, Künstler, Maler zusammen, die ihrer Verzweiflung über solche Entwicklungen künstlerisch und musikalisch Ausdruck verliehen. Das waren solche wie Klimt und Schiele in der Malerei, Karl Kraus oder Schnitzler in der Literatur, der »späte« Gustav Mahler und das Triumvirat Alban Berg, Anton Webern und Arnold Schönberg. Dessen Lehrer Alexander Zemlinsky war fasziniert von der aufkeimenden Psychoanalyse eines Sigmund Freud und dessen Traumdeutungen – und rettungslos verliebt in seine Schülerin, eine gewisse Alma Schindler, spätere Mahler. In einer Zeit also, die einer bösen Zeitenwende glich, fand Zemlinsky in dem Schriftsteller und Übersetzer Leo Feld einen Librettisten für seine dritte Oper »Der Traumgörge« (1904), ein Auftragswerk des Hoftheaters in Wien und seines Direktors Gustav Mahler. Zur Aufführung kam sie dort jedoch nicht, weil Kapellmeister Mahler entlassen und dessen Nachfolger Felix Weingartner kein Interesse an dem Werk hatte. Zemlinsky selbst versuchte eine Aufführung im Laufe seiner Laufbahn als »vortrefflicher Dirigent« (Ernst Krenek) an der Volksoper. Auch dort kam es wegen Ausbruch des 1. Weltkriegs zu keiner Aufführung.
Weit zurückzuführen ist das Sujet auf das Gedicht »Der arme Peter« von Heinrich Heine aus dessen Buch der Lieder. Im Gedicht ist der Peter auf der Suche nach seiner Liebe, der Grete, die aber schon einem Peter angetraut ist: »Es treibt mich nach der Liebsten Näh, als könnts die Grete heilen; doch wenn ich der ins Auge seh, muß ich von hinnen eilen. (…)« – und nach vielen vergeblichen Versuchen einer Annäherung: »Er hat verloren seinen Schatz, drum ist das Grab der beste Platz, wo er am besten liegen mag, und schlafen bis zum jüngsten Tag«. Bei Zemlinsky ist es der Pfarrerssohn »Görge«, ein Träumer in der Welt der Bücher, der sich in eine Traumprinzessin verliebt (Zemlinskys verschmähte Liebe und vermeintliche Inspirationsquelle Alma lässt grüßen!), jedoch eine Grete heiraten soll, die als »bodenständig und mit mehr Realitätssinn« (Operntext) so gar nicht seinen Vorstellungen entspricht. »Görge will sein Lebensmärchen verwirklichen und flieht. Er strandet als Trinker in einem Dorf und wird wieder als Außenseiter betrachtet. In Gertraud, die als Brandstifterin und Hexe verschrien ist, erkennt Görge seine Prinzessin wieder …« (Operntext). Der psychologische Opern-Zweiakter mit Epilog hatte erst 1980 seine Uraufführung in Nürnberg, in Frankfurt wurde er 1988 in einer konzertanten Version mit dem hr-Sinfonieorchester unter Gerd Albrecht gegeben, die auf CD Referenzcharakter hat. Wir dürfen gespannt sein auf die Interpretation des Regisseurs Tilmann Köhler, der im vergangenen Jahr eine äußerst eindrucksvolle Darstellung des »Le Vin Herbé« von Frank Martin gebracht hat.
Am Pult wird Markus Poschner erwartet, ehemals Chef des Bruckner-Orchesters Linz und jetzt beim Orchestra della Svizzera Italiana.