Risikolos – Ehemalige Berlinale-Filme auf arte

Die Berlinale im Februar 2020 war das letzte große Filmfestival vor den Corona-Shut- bzw. Lockdowns. Sie war trotz internationaler Beteiligung kein Superspreader-Event, was bis heute eine Rätsel geblieben ist. Unter Corona-Bedingungen wird sie in diesem Jahr zu einem fünftägigen brancheninternen Online-Festival geschrumpft und im Juni als großes Publikumsfestival im Kino angekündigt. Ob das klappt, ist bei der gegenwärtigen Infektionslage noch zweifelhaft (Stichwort: dritte Welle).

Unter diesen Umständen ist es von Vorteil, dass wir fernsehen können, ohne eine Covid-Ansteckung befürchten zu müssen. Und arte kommt seinem Kulturauftrag nach und zeigt vom 17. bis 25. Februar sieben Spielfilme aus den Programmen der vergangenen Jahre sowie eine Dokumentation über die gebürtige Berlinerin Lotte Eisner.

Wie über jede Auswahl lässt sich auch über diese angeregt streiten. Bis auf »There Will Be Blood« von Paul Thomas Anderson ist kein Film dabei, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist. Regisseur Anderson und Komponist Jonny Greenwood erhielten für dieses epische Meisterwerk, das den brutalen Kampf um Erdölbohrrechte zeigt, auf der Berlinale 2008 den Silbernen Bär in den Kategorien Beste Regie und Beste Musik. Kurz darauf gingen Oscars an Hauptdarsteller Daniel Day-Lewis und Kameramann Robert Elswit. Dieses nachdrücklich empfohlene Highlight der arte-Reihe läuft am Sonntag, 21. Februar, um 20.15 Uhr.

Das Leben zweier Teenager in den Pyrenäen zeichnet André Téchiné in seinem Berlinale-Beitrag »Mit siebzehn« (Quand on a 17 ans) so präzise und einfühlsam nach, dass ich mich in meine eigene Jugend zurückversetzt fühlte, obwohl ich in der Großstadt Frankfurt aufgewachsen bin. Als sich die Rivalität der beiden Jungen allerdings nicht im Kampf um die Schulschönheit, sondern in einer homoerotischen Zuneigung entlädt, war es mit meiner Identifikation vorbei. Das mag nicht jedem so ergehen. Gelegenheit, dies selbst zu überprüfen, ist am Mittwoch, 17. Februar, um 20.15 Uhr.

»Alles was kommt« (A’avenir) von Mia Hansen-Løve ist die ziemlich verkopfte Geschichte der Philosophielehrerin Nathalie (Isabelle Hupert), die gerade von drei Schicksalsschlägen getroffen wird: ihr Mann Heinz (André Marcon) verlässt sie, ihre Mutter muss ins Altenheim, und die Neufassung ihres philosophischen Lehrbuches wird vom Verlag abgelehnt. Zu altbacken! Da ist guter Rat teuer, besonders wenn er von der Frankfurter Schule kommen müsste. Hansen-Løve erhielt für dieses recht blutleere Frauenporträt 2016 den Silbernen Bären für die Beste Regie. Sendetermin: Mittwoch, 24. Februar, 20.15 Uhr.

Anschließend würdigt arte die unvergessene Lotte Eisner. Die deutsch-jüdische Filmkritikerin konnte in einem abgelegenen französischen Dorf die Naziherrschaft überleben. Zusammen mit dem Gründer Henri Langlois baute sie in Paris das Museum der Cinémathèque française auf. (Ihre Führung durch die gerade fertiggestellten Räume im Palais de Chaillot zählt zu meinen bleibenden Erinnerungen.)  Lotte Eisner wurde durch das Buch »Die dämonische Leinwand«, eine Analyse des deutschen expressionistischen Films, berühmt, war aber auch für die Regisseure des Jungen Deutschen Films eine wichtige Persönlichkeit. Werner Herzog hat erzählt, er sei in einer Schaffenskrise einmal von München zu ihr nach Paris gelaufen (nicht gewandert!). Sie war eine Botschafterin der deutschen Kultur in Paris und ebenso wie arte eine wichtige Verbindung zwischen der deutschen und französischen Kultur (Mittwoch, 24. Februar, 21.50 Uhr).

Claus Wecker
Foto: There Will be Blood, © Miramax

Info: www.arte.tv/de/guide/

 

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