Rosemarie Trockel im Museum für Moderne Kunst

Sind wir das, wenn wir den großen Raum im Museum für Moderne Kunst betreten? Zwischen den Mauern, die uns mit einem blaumaschigen Strickmuster an den Wänden umgeben? Leichte Wollfäden halten uns in einer vorgeblichen Weiblichkeit gefangen: »Prisoner of Yourself«, von Rosemarie Trockel aus dem Jahr1998. So hebt die umfassende, von den Anfängen in den 70ern bis zur unmittelbaren Gegenwart (einige der Arbeiten sind eigens für die Ausstellung gefertigt) reichende Werkschau der vielseitigen Künstlerin an.
Wenn eine Selbst-Befreiung da noch leicht erscheinen mag, so ist der Keramikanhänger von 2016 unter dem selben Titel schon nicht mehr so leicht zu entfernen: eine Kette, die uns fesselt und gefangen hält? Wie auch die an den Füßen aufgehängte Robbe aus Kupfer ein Ausdruck fürs Gefangensein scheinen mag mit blonden Haarkranz, der wohl an Andy Warhol erinnern soll. Und die überdimensionale Haarnadel an der Wand – Unterdrückung oder Waffe eingegrenzter Weiblichkeit?
Die Herdplatten hängen dysfunktional an der Wand, sind verschieden groß, und, ebenso wie die quadratmetergroßen gerahmten Strickbilder – Wollsiegel spricht für Qualität –, präsentieren so-längst nicht mehr eine ausschließlich weibliche Domäne. Stricken, Gestricktes wird Kunst – auch in »Made in Western Germany«.
Gleichgültig ist auch die Geschlechteridentität im Tanz der Seepferdchen – die Männchen tragen die befruchteten Eier aus und bringen sie zur Welt (Video). Das »Studio 45: Haus für Läuse« ist – wie kann es anders sein – eine dunkelblonde Perücke und spielt auf Andy Warhol an, der nie ohne Perücke den Club »Studio54« in NY besuchte. Trockel gibt den Läusen mit der Perücke einen Lebens- und Schutzraum – Prisoner? Die Stare, die im Schwarm zur Musik von Jimmy Hendrix fliegen, Titel »Napoli«: Sind sie ein Bild für die sogenannte »Schwarmintelligenz«? Wie Goethe und Affenporträts zusammenhängen können, dass Uhren unser Gefängnis der Zeitlichkeit ausdrücken, zeigt die Serie »Clockowner« – Masken mit recht unterschiedlich gelebten Männergesichtern – gelegentlich auch abnehmbar? Oder bleiben auch die wie wir alle Gefangene?
Dass Küchengeräte wie eine Waffe wirken können zeigt die letzte Abteilung: eine überdimensioniert und metallisch glänzende Küchenreibe mit gewaltigen Zacken – aus Keramik zwar, aber durch ihre Größe gefährlich wirkend. »Grater 2« (ein Kratzgerät?) und Zum schwarzen Ferkel« heißen die zur Waffe verwandelten Haushaltsgeräte: Ausweg aus dem »Gefangen in sich selbst«, dem – »Prisoner of Yourself«? Reingehen ins MMK und für sich selbst überprüfen, lohnt sich jedenfalls. Genau wie eine Stippvisite zum Klaus-Mann-Platz. Wo der ist? Mitten in der Stadt, unmittelbar vor dem Eldorado-Kino, erinnert Trockels mahnender »Frankfurter Engel« seit 1994 an die Homosexuellenverfolgung in Deutschland.

Katrin Swoboda / Bild: Gewohnheitstier, Foto: Axel Schneider
Bis 18. Juni: Di.–So., 11–18 Uhr; Mi., 11–19 Uhr
www.mmk.art

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