»Shape of Water – Das Flüstern des Wassers« von Guillermo del Toro

Zwei Außenseiter

Der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro ließ sich in dieser Oscar-verdächtigen Phantasmagorie vom B-Movie »Der Schrecken vom Amazonas« aus dem Jahr 1954 inspirieren, entwickelt aber rund um den tragischen Amphibienmann ein abgründig romantisches Märchen, in dem, nah am Wasser gebaut, die Geschichte von der Schönen und dem Biest weitergesponnen wird.

Wer braucht schon die Sonne? Die Welt von Putzfrau Elisa ist dunkelgrün verschattet. Ihre kleine schummerige Bude, durch deren Ritzen das Flackern eines darunter liegenden Kinos dringt, erinnert an ein Aquarium. Wenn sie nachts im Bus zu ihrer Arbeitsstelle in einem geheimen Regierungslaboratorium fährt, bewundert sie die perlenden Regentropfen an der Scheibe. Auch in die Gängen und Kellern, in denen sie den Putzfeudel schwenkt, fällt kein Sonnenstrahl. Das Wesen, das eines Tages in einem Wassertank in das Laboratorium geschoben wird, verträgt die Sonne schon gar nicht.
Was genau sich mit dieser schuppigen, aus dem Amazonas gezerrten Kreatur anfangen lässt, wissen die Regierungsbeamten noch nicht. Vielleicht lässt sie sich in diesen Kalte-Kriegsjahren zu Beginn der Sechziger im Kampf gegen die Sowjets verwenden. Tatsächlich interessieren sich diese, in Gestalt eines Spions im Labor, ebenfalls für das Wassermonster. Einstweilen vergnügt sich aber der sadistische Laborleiter Strickland damit, die Kreatur mit Stromschlägen zu quälen. Strickland, ein neurotisch grundierter Macho, hat auch Aschenputtel Elisa auf dem Kieker. Doch klammheimlich freundet sich die kleine Putze, die selbst seit ihrer Kindheit stumm wie ein Fisch ist, mit dem Amphibienmann an, füttert ihn mit Eiern, lehrt ihn die Zeichensprache, spielt ihm gar ihre Lieblingsschallplatten vor… und was kommt als Nächstes?
Sein Ruf ist diesem seltsamen Film vorausgeeilt; längst wird über Oscars spekuliert und das ausdrucksstarke Schweigen der britischen Hauptdarstellerin Sally Hawkins gefeiert, die ausgerechnet als fröhlich plappernde Londonerin in »Happy-Go-Lucky« (2008) bekannt wurde. Michael Shannon als Fiesling Strickland, Richard Jenkins als Elisas bester Freund, mit dem sie sich im Fernsehen Musicals anschaut, ihre von Octavia Spencer gespielte beherzte Kollegin, und last not least Doug Jones, der bereits in Del Toros Comic-Abenteuer »Hellboy« einen Fischmenschen spielte, sie alle sind großartig. Das Besondere an diesem modernen Märchen ist aber, wie stimmig dieser extravagante Genremix aus Freak-Horror, Romanze und nostalgischer Beschwörung der Nachkriegszeit ausfällt. Dabei ist sogar noch Platz für etwas schwarzen Humor – zum Nachteil einer Katze.
Del Toro, der bereits mit »Pans Labyrinth« ein hypnotisches, aus der historischen Realität entwickeltes Märchen drehte, erweist sich in dieser Phantasmagorie erneut als genial instinktsicherer Stilist. Ohne je seinen Sigmund Freud gelesen zu haben, kann er Angst und Begehren visuell fassbar machen. In einer surrealen Unterwasseratmosphäre – tatsächlich regnet es nicht nur ständig, sondern Elisas Badezimmer entwickelt sich zum wichtigsten Ort – werden die Verhältnisse zum Schweben und Fließen gebracht, wird man in die Abgründe eines unheimlichen, unvergesslichen Traums gezogen. Eben wie im Kino: Del Toro gibt einem den Glauben an die Magie der Traumfabrik zurück.

Birgit Roschy
SHAPE OF WATER – DAS FLÜSTERN DES WASSERS
von Guillermo del Toro, CDN/USA 2017, 123 Min., mit Sally Hawkins, Richard Jenkins, Michael Shannon, Octavia Spencer, Doug Jones, Michael Stuhlbarg
Filmmärchen
Start: 15.02.2018

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