Skulpturenausstellung Blickachsen in Bad Homburg

 © Stiftung Blickachsen + Kati HeckAlles Wurst …

Mit exakt 111 Grabsteinen hat der belgische Künstler Leo Copers für den ersten Aufreger der Skulpturenausstellung Blickachsen X gesorgt. Auf einen Friedhof, auch wenn er sich idyllisch an einen sanften Hang nahe dem Kurparkweiher schmiegt, ist nicht jeder gefasst oder auch nur vorbereitet. In den unterschiedlichen Granitblöcken, die Copers in Indien angefertigt hat, sind die Namen und Logos der bekanntesten internationalen Museen graviert, vom Prado bis zum MoMa New York, von den Musei Vaticani bis zur Londoner Tate.
Auch das Städel gehört zu den Totgesagten, was dessen Direktor Max Hollein bei all der prominenten Nachbarschaft eher delektieren als kränken dürfte. Dass sein Haus sich dem grassierenden Event-Kommerz, den der Künstler einer der kursierenden Erklärungen zufolge damit kritisiert, zu entziehen versuchte, kann man indes auch kaum behaupten. Einen Ansatz zur Erklärung liefert der rückwärts zu lesende Titel der Arbeit, »IROM ETRA ORP TSE MUROCED TE ECLUD«, das mit dem leicht abgewandelten Horaz-Zitat (»Dulce et decorum est pro patria mori«) den süßen und ehrenvollen Tod für die Kunst beschwört.  
Die seit 1997 im Zwei-Jahres-Rhythmus veranstaltete Skulpturenschau umfasst in ihrer zehnten Ausgabe zirka 80 Arbeiten von 33 zeitgenössischen Künstlern und erstreckt sich über neun Standorte in der Region, darunter Frankfurts Uni-Campus, die Kunsthalle Darmstadt und das Kloster Eberbach. Der Kurpark bleibt aber mit dem  Schlosspark Bad Homburgs das Herz der von der örtlichen Galerie Scheffel initiierten frei zugänglichen Schau. Mehr als 30 Werke von 23 Künstlern stellt das zweiteilige Freilichtmuseum nun vor, das Christian Scheffel mit dem Middelheim-Museum in Antwerpen und dem Künstler Lieven Segers kuratierte, entsprechend groß ist die Präsenz belgischer Bildhauer.
Aus der flandrischen Hafenstadt stammen die beiden Bronzegüsse »Der Kardinal« (1991) von Giacomos Manzu und »The Wrestler« (1852) von Jet Lambeaux, die vis-a-vis im botanischen Garten am Schloß zu finden sind und mit Armans getürmten Spitzhacken »Tous azimuts« vor dem nahen Sinclair-Haus zu den Promi-Werken gehören. Eine zwei Meter hohe Lenin-Statue Armans kündet vor dem Eingang zum Kurhaus vom untergehenden Weltenruhm: »Sic transit gloria mundi« nennt er sie. Porös, wie aus gallig-giftigen Meeresgründen geborgen, sieht der mit Kopfspalte lädierte Revolutionsheld als temporärer Nachbar des Kaiser-Wilhelm-Denkmals aus. Immerhin hatte das Haus des Letzteren ihm das Ticket nach Petersburg gesponsert. Aber vielleicht ist auch die Nähe zur Spielbank der Grund.
Zu den spektakuläreren Exponaten zählen der auf einer Spitze balancierende Container   »Hamburg Süd« von Luc Deleu und Kati Hecks Wurstinstallation »Dabei sein ist alles«, die aus zwei auf der Weiherinsel liegenden Polyester-Großwürsten in Blutwurst-Blau und Fleischwurst-Orange sowie einer dritten in bayrischem Weißwurst-Weiß mit aufgemalten Augen besteht, die hoch an einem Baum in den Lüften schwebt. Hohe, respektive große Kunst ist das Ganze, wie auch das kaum beachtete Fahrrad von Gerard Herman. Es lehnt an einem Baum und soll in einer Box auf seinem Gepäckträger Funde und Notizen bergen, die der Künstler auf seiner mehrtägigen Fahrt nach Bad Homburg gesammelt hat.

Lorenz Gatt

Bis 10. Oktober in Bad Homburg
und an acht weiteren Orten  
www.blickachsen.de

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