Die Welt als Bühne – ein traditionelles Motiv in der Literaturgeschichte, das schon Shakespeare in seiner Komödie »Wie es euch gefällt« dem melancholischen Jacques in den Mund legt: »All the world’s a stage«. Und so begreift auch die Titelfigur in Thomas Manns Belle-Époque-Roman »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« das Leben als Spiel, das sie in vollen Zügen genießen will.
Regisseurin Milena Mönch eröffnet mit einer Bühnenfassung des in zwei weit auseinander liegenden Etappen (1910–13, 1950–54) entstandenen unvollendeten Werks die aktuelle Spielzeit in Mainz. Schon das Bühnenbild (Sophie Rieser) lässt mit seiner Showtreppe und der großen Leuchtschrift keinen Zweifel aufkommen, dass hier Schein und Trug das Sagen haben. Als Zuschauer ist man sofort von Felix eingenommen, der grandios von Katharina Uhland verkörpert wird. Im kurzen, grünen Hosenanzug mimt sie den euphorischen Rheingauer, der mit seiner Redegewandtheit, Empathie und Schläue die Herzen seiner Mitmenschen im Sturm erobert. Nach dem Selbstmord seines Vaters, ein erfolgloser Schaumweinfabrikant, zieht er mit seiner Mutter nach Frankfurt. Begeistert von dieser lebendigen und verruchten Stadt, lässt er sich vorübergehend mit der Prostituierten Rosza (Daniel Mutlu) ein, unter deren Anleitung er seine Fähigkeiten als Liebhaber vervollkommnet, was einprägsam auf der Bühne dargestellt wird. Sein Pate Schimmelpreester (Benjamin Kaygun) hat für ihn jedoch eine Anstellung in einem Pariser Luxushotel erwirkt und so gelangt Felix in die Stadt der Liebe, die ihrem Namen alle Ehre macht: von der extravaganten Schriftstellerin Madame Houpflé über die neureiche Industriellentochter Eleanor Twentyman bis hin zum homosexuellen Lord Kilmarnock – alle verlieben sich in den gutaussehenden androgynen Liftboy und kämpfen mehr oder weniger offensiv um seine Gunst. Leider rückt bei all der weidlich demonstrierten Liebeswütigkeit Felix‘ eigentliches Wesen in den Hintergrund, nämlich das des brillanten Hochstaplers und genialen Verwandlungskünstlers, der die Kunst des Täuschens so perfektioniert hat, dass ihm ein vorgespielter epileptischer Anfall den Militärdienst erspart.
Mönch hat sich auf die wesentlichen Episoden des Romans konzentriert, die temporeich vom fünfköpfigen Ensemble vorgetragen werden. Bis auf Uhland haben alle Darsteller mehrere Rollen: So ist Stephanie Kämmer Felix‘ »extracurvy« Mutter im rosa Nikki-Jogginganzug und die ebenfalls nicht mit ihren Kurven geizende Madame Houpflé. Benjamin Kaygun mimt den in Felix verliebten Lord, Carlotta Hein das liebestolle amerikanische Girlie und Daniel Mutlu den cholerischen Generaldirektor. Songs von Elton John oder Nena, live vom Musiker Alex Röser Vatiché am Klavier vorgetragen, karikieren die Situationen und unterstreichen den humoristischen Ansatz, den Mönch in ihrer Inszenierung in den Vordergrund stellt, wenngleich die Lieder teilweise etwas too much wirken. Doch passen sie zum großen Finale, in dem Felix auf einem Halbmond in den Bühnenhimmel gezogen wird, um mit seiner neuen Identität als Marquis de Venosta seine Weltreise anzutreten.
Ein kurzweiliger Theaterabend, der mehr unterhält als zum Nachdenken anregt und eine willkommene Auszeit in diesen düsteren Zeiten bietet.
Staatstheater Mainz zeigt »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« nach Thomas Mann
