Staatstheater Wiesbaden findet in »Er putzt« zurück zur Langsamkeit

Elf Seiten nur umfasst der Text mit dem Valeria Gordeev 2023 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann. Sein Titel, »Er putzt«, sagt denn auch alles, was auf diesen elf Seiten passiert. Der Student Konstatin putzt mit Hingabe, Akribie und immenser Fachkompetenz die Küche seiner Mutter, jedes zu putzende Teil, jedes verwendete Mittel und Werkzeug beschreibend und erklärend – und macht sich dabei ein paar wenige Gedanken über die Außenwelt. Über seine Schwester Lada, die sich für »Emergency Room« begeistert, über seine Mutter, die so nachlässig in Sachen Reinlichkeit ist. Über die Schädlichkeit von Wattestäbchen für das Ohr und ihren Nutzen beim Säubern des Syphons.
Von all dem erfahren wir bei Marie Schleefs Bühnenumsetzung des kleinen Werks, das als Randgeschichte in Godeevs erstem Roman wiederauftauchen soll, vorderhand wenig. Sie geschieht, abgesehen vom Titel und dem Namen der Autorin die gleich zu Beginn hauchend eingeflüstert werden, vollkommen ohne Worte. Die von einem Seidenvorhang freigegebene Bühne von Lina Oanh Nguyen ist in lichten Marshmallow-Farben gehalten, eine kleine Kommode mit einem Regal für Videos ziert den Raum, ein Kalender mit Blumenmotiv, ein Wurf knallgelber Fliesen an der Wand signalisiert uns, dass wir in der Küche sind, rechts eine knallrote Falttür und darüber hängt die auf kurz vor 4 stehende Uhr.
Es ist Konstantin, der in Sandalen, T-Shirt und in gelöcherter Socke ultralangsam den Ort betritt und inspiziert, laut sein Atmen, laut die schlurfendem Schritte, laut das stete Tropfen im Dreiklang, helle Geräusche mengen sich ein und Radio, Fernseh-Stimmen aus anderen Räumen. Dann wirft Konstantin, zur Erheiterung des Publikums, einen ersten von vielen -ganz langsamen Blicken ins Publikum, als gelte es sich dessen Aufmerksamkeit zu sichern. Eine ASMR-Performance nennt Schleef ihre Inszenierung, angelehnt an die angeblich populäre Technik der »autonomen sensorischen Medienreaktion«, die Geräusche des Alltags in kleinste akustische Einheiten zerlegt und angenehme Kribbelgefühle auslösen soll oder als ultimative Einschlafhilfe dient.
Beispiele dafür gibt es zuhauf in den 3 mal 25 Minuten des Stücks, das jedes Mal, wenn die plötzlich laut tickende Uhr auf 16.20 geht, zurückgedreht wird, um in einem anderen Monat zu landen, wie der Kalender verrät. Da schlürft die hochtoupierte rothaarige Lada mit dem Strohhalm eine Limonade leer bis auf den Grund, da entfaltet Konstantin ein Bonbon, um es schmatzend zu lutschen, da knirscht und knarzt und knabbert es an allen Enden. Und dieweil Konstantin, den es gleich in doppelter Ausgabe gibt, mal mit dem Feudel, mal mit dem Handsauger akribisch putzt, passiert ein grauer Mob die Tür oder es öffnet sich die Wand für ein märchenhaftes Panorama mit Raumschiffen oder fliegenden Wattestäbchen.
»Gespielt« werden die Konstantins von Adi Hrustemović und Jonas Grundner-Culemann, den putzigen Part Lada tragen Ida Rauschnabel und Victoria Bloss bei, während den Sound Jae A Shin und Richard Janssen besorgen und das Licht Oliver Porst für ein Stück, dass man angenehm rätselnd verlässt mit dem Gefühl, so mal richtig state-of-art zu sein. Macht Spaß, versprochen.

Foto: © Maximilian Borchardt
Termine: 22., 26. Februar, 19.30 Uhr
www.staatstheater-wiesbaden.de

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