Staatstheater Wiesbaden zeigt David Mamets »Die Masken des Teufels«

Er hat die Drehbücher für den »Postmann, der zweimal klingelt« und »The Untouchables« geschrieben. In den Theatern der Region gab es von dem US-amerikanischen Autor David Mamet zuletzt die Stücke »Hanglage Meerblick« (2013 Schauspiel Frankfurt) und »Der Bußfertige« (2018 Wiesbaden) zu sehen. Für Aufsehen sorgte anno 2008 sein Essay »Warum ich kein hirntoter Linker mehr bin«, was die taz meinen ließ, solche Renegaten endeten meist als hirntote Rechte. In Wiesbaden kann man Letzteres überprüfen.
»Die Masken des Teufels« wird am Hessischen Staatstheater von Johannes Lepper inszeniert und führt uns mit heftigen Drum-Stakkatos in die passend »Der Schlagstock« betitelte erste Szene. Pfützen auf dem Parkett zeichnen ein schmutziges unfreundliches Terrain. Längs ein Edward-Hopper-Nighthawks-Tresen, an dem zwei übel alkoholisierte Polizisten, Bill Hollis (Tobis Lutze) und Frank Burke (Rainer Kühn), wüten, weil Linke, Bürgerrechtler & Konsorten ihnen die Arbeit madig machen, indem sie mit psychologischen und juristischen Tricks aus brutalsten Tätern Mitleid heischende Opfer machen.
Ein fürchterlicher Mord an einer jungen Frau im Park ist geschehen, und George, der Kollege, der den Täter erwischt, hat sich aus vermuteten Bringt-ja-alles-nix-Gründen mit der Dienstwaffe das Hirn aus dem Schädel geblasen.
Die kaum auszuhaltende und unnötig lärmige Polizistenszene – warum prügeln sich die beiden immer wieder? – fungiert als eine Art Vorspann, der die Ohnmachtsperspektive derer beleuchtet, die eigentlich für Recht und Ordnung sorgen sollen. Alle folgenden gehören der Mutter des Parkmörders, die ihren als grausamen Killer seiner jüdischen Verlobten überführten Sohn Michael auf Teufel komm raus, wie wir bald sehen, zu retten versucht. Joan heißt diese Person und wird von Anne Lebinsky als völlig empathielose kalte Frau in Szene gesetzt, die antisemitische Ressentiments in der Öffentlichkeit nicht nur teilt, sondern für sich zu nutzen trachtet: Ihr Plan ist, das aus dem gemeuchelten Opfer eine ruchlose jüdische Verführerin aus dem Drogenmilieu zu machen, der ihr braver Junge auf den Leim gegangen ist. Allerdings findet sie weder in ihrem Mann (Martin Plass), noch in ihrem jüdischen Anwalt (Felix Strüven), den sie prompz entlässt, noch im Pastor (Kühn in einer wesentlich dankbareren Rolle) die gewünschten Mistreiter für ihre »alternative Sicht« der Dinge.
Es sind Mamets frappierend klare und gnadenlose Dialoge und Monologe, die uns wie Säbelhiebe treffen, wenn sich Joan etwa offen als Antisemitin präsentiert und in der Pose der um ihr Kind kämpfenden Löwin auf jede Form der Moral pfeift, ganz genau wie die gekaufte Intelligenzia aus dem sozialen und juristischen Bereich.
Schwer zu entschlüsseln un nebulös ist der bereits im Originaltitel »The Christopher Boy‘s Communion« aufscheinende religiöse Kontext, in den Mamet seine Arbeit stellt. Nicht nur dass er Joan sich nach allen vergeblichen Mühen demutsvoll, sphnend (?) einem in Gestalt einer Mrs. Charles sie abkanzelnden Teufel (Lutze) gegenüberstellt. Im allerletzten Bild sehen wir sie – rückschauend? – im Kreis ihrer noch intakten Familie, die mit ihrem Mann den Besuch einer Kommunionfeier vorbereitet, zu der auch Michael und seine jüdische Freundin kommen wollen. Sie selbst gehe lieber in den Park, lässt sie den Gatten wissen. Zum Date mit George?
Man muss nicht aus allem klug werden und darf froh über den Zugriff von Regisseur Lepper sein, der den Fokus seiner Inszenierung effektvoll auf die Genese der »alternativen Sicht« des Antisemitismus richtet. Dazu werden Zitate von Adorno (»Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden«) und Eli Wiesel auf eine mit dunklen Wolken überzogene Leinwand unter der Decke projiziert. Das gleißende Schlusslicht ins Publikum hätte es nicht gebraucht, um den Adressaten dieser Botschaften auszuleuchten. Ein spannendes Stück Theater mit Zumutungen – und einer toll gespielten Titelfigur.

Winnie Geipert / Foto: © Karl und Monika Forster
Termine: 3., 10. Januar, 19.30 Uhr, 21. Januar 18 Uhr
www.staatstheater-wiesbaden.de

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