»Struwwelpeter als Radikaler. Karikaturen der Paulskirchenzeit«

E.T.A., Hilmar und Heinrich, alle drei Hoffmänner: Dichter, Kulturpolitiker und Arzt. Zwei davon spielten eine wichtige Rolle – nicht am Hofe, sondern in der (freien) Stadt Frankfurt am Main. Einem von ihnen war ein ganzes Museum in der Schubertstraße im Frankfurter Westend gewidmet (Heinrich), gefördert vom anderen Hoffmann (Hilmar). Der dritte (E.T.A.) aber könnte das alles in einer skurrilen Geschichte verpackt haben, hätte er da noch gelebt …
Bezüge zur Gegenwart lassen sich auch noch auf andere Weise herstellen: Tutti Frutti, das war doch ein Rock’n’Roll Song in den fünfziger-sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, gesungen von Little Richard und Elvis Presley!!! Ausdruck eine Jugend-Protest-Kultur. Irgendwie auch Schockierend … Und siehe da, in den 40ern des vorletzten Jahrhunderts traf sich eine Gruppe von Literaten und Intellektuellen als »Gesellschaft der Tutti Frutti« im Gasthof in Frankfurt, um sich mit kleinen Kompositionen, Gedichten oder Vorträgen zu unterhalten. Der Name sollte – in revolutionären Vormärz-Zeiten – Standesunterschiede abbauen, »Tutti Frutti: alles ein Gemüse« …
Möglicherweise hat Heinrich Hoffmann (alias Zwiebel) dort schon mal seinen Kollegen Einzelblätter des Struwwelpeters vorgestellt. Nun tauchen solche in der Sonderausstellung »175 Jahre Revolution 1848/49: Struwwelpeter als Radikaler. Politische Karikaturen der Paulskirchenzeit« wieder auf. Im neuen Struwwelpeter Museum, nicht mehr versteckt im Westend, sondern an prominenter Stelle im Zentrum der so genannten »Neuen Altstadt«. Die kaum bekannten Wurzeln der Buchfiguren werden da aufgezeigt: der langhaarige Revolutionär »Peter Struwwel, Demagog« in Hoffmanns satirisch-politischem »Handbüchlein für Wühler«; der Nein-Sager im Paulskirchenparlament als Suppenkaspar (»Nein, meine Suppe ess ich nicht«); oder der radikalere badische Republikaner (und Hoffmans Freund) Friedrich Hecker als böser Friederich.
Ist der Struwwelpeter nun »Schwarze Pädagogik«, wie das manchmal in politischem Kontext in der 68er-Zeit bezeichnet wurde? Da gab’s ja auch den »Anti-Struwwelpeter« von F.K. Waechter … Tatsächlich werden die Folgen kindlichen Fehlverhaltens oft drastisch dargestellt – vor allem im Bild, erste Vorläufer des Comics! –, so dass auch kleine Kinder –Hoffmanns Sohn war drei! – der Geschichte folgen konnten. Der böse Schläger Friedrich wird vom Hund gebissen und muss im Bett bleiben, die rassistisch sich äußernden Kinder vom Nikolaus (?) in Tinte getaucht und, ja, Paulinchen spielt mit dem Feuer und verbrennt; durchaus ernst zu nehmende Warngeschichten aus dem bürgerlichen Milieu und Alltagserfahrungen kleiner Kinder. (In Wahrheit starb die 15-jährige Pauline Schmidt aus Hoffmanns Bekanntenkreis an einer damals herrschenden Epidemie. Ihr Grab – wie auch das Hoffmanns – findet man auf dem Frankfurter Hauptfriedhof.) Und ist die Daumen abschneidende Schere möglicherweise das Instrument der politischen Zensur?
Auch Hoffmann engagiert sich, zwar nicht radikal, aber doch gemäßigt in den Umbruchzeiten von 1848, war im Vorparlament der Nationalversammlung in der Paulskirche, zog sich jedoch 1850 aus der Politik zurück, um sich ganz der ärztlichen Leitung der Frankfurter »Anstalt für Irre und Epileptische« zu widmen. Die Verwirklichung einer menschenwürdigen Psychatrie sah er als seine wesentliche Aufgabe an. Nicht umsonst befindet sich die Frankfurter Klinik für Psychiatrie in der Heinrich-Hoffmann-Str. 10!
Eine schöne feine Ausstellung mit Texten und Bildern aus dem Bestand, sowie über dreißig seltenen Originalen aus einer Freiburger Privatsammlung. Mitmach-Möglichkeiten für junge »Struwweluzzer«. Für alle Altersgruppen zu empfehlen.

Katrin Swoboda / Foto: © Struwwelpeter-Museum
Bis 14. Januar 2024: Di.–So., 11–18 Uhr
www.struwwelpeter-museum.de

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