Die Krisen-Gewinner
Der Immobilienmarkt sei der Fels, auf dem die amerikanische Wirtschaft stehe, heißt es einmal in »The Big Short«, dem neuen, atemberaubenden Film über die Finanzkrise von 2007, die auch als Subprime-Krise in die Geschichte eingegangen ist. Hypothekenpapiere seien die sicherste Geldanlage für Investoren. Der Wert der beliehenen Immobilien stieg vor der Katastrophe stetig, Wetten wurden abgeschlossen und auf diese Wetten nochmals Wetten – bis die wundersame Geldvermehrung ein Ende fand.
Einige junge Finanziers wurden misstrauisch und wagten die Wette in die andere Richtung, auf den Zusammenbruch, der nach ihrer Meinung kommen musste. Darauf konzentriert sich der Film von Adam McKay und seinem Co-Autor Charles Randolph nach dem Buch von Michael Lewis, einem ehemaligen Angestellten von Salomon Brothers.
Michael Burry (Christian Bale) schaute sich im Jahr 2005 die Immobilienkredite an, die von den Banken gebündelt weiterverkauft wurden. Burry entdeckte dabei, dass diesen Hypotheken-Bündeln höchst unsichere Kredite untergemischt waren. Dennoch hatten die Rating-Agenturen, die nicht nur deswegen in Verruf geraten sind, ihnen die höchste Sicherheitseinstufung Triple-A verliehen. Alles Mist, befand der barfuß durch sein Büro laufende und Heavy Metal in voller Lautstärke hörende Hedge-Fonds-Manager.
Er ging zu den von Wall-Street-Banken und kaufte Swaps, Terminkontrakte auf fallende Kurse der Hypotheken-Verbriefungen. Für die Banker schien das leicht verdientes Geld, und tatsächlich stiegen die Kurse der Hypothekenpapiere, das Geschäft mit ihnen florierte weiter, die Händler trafen sich bezeichnenderweise in Las Vegas und tagten Tür an Tür zum Spielcasino. Burry war zu früh im Immobilienmarkt »short« gegangen, hatte auf fallende Kurse gesetzt. (Das falsche Timing ist auch der Grund, warum immer wieder Crash-Propheten pleitegehen, bevor ihre Voraussagen eintreffen.) Burry’s Fonds lag zwischenzeitlich mit ca. 20 % im Minus, und seine Kunden wurden zunehmend nervöser.
Der Banker Jared Vennett (Ryan Gosling), der auch das Geschehen im Film kommentiert, erfuhr, dass mit Millionenbeträgen gegen den haussierenden Immobilienmarkt gewettet wurde, und überredete den Hedge-Fonds-Manager Mark Baum (Steve Carell), auch Kreditausfall-Swaps zu kaufen. Außerdem verschafften sich die jungen Fonds-Manager, Jamie Shipley (Finn Wittrock) and Charlie Geller (John Magaro), mithilfe des erfahrenen Börsianers Ben Rickert (Brad Pitt) eine Handelslizenz und setzten ebenfalls auf das Platzen der Immobilienblase. Als dies dann geschah, waren die Bankaktien an der Reihe. Mit Leerverkäufen wurde auf fallende Kurse gesetzt, und während Millionen Menschen weltweit ihre Ersparnisse, ihren Job und ihr Heim verloren, wurden Milliarden-Gewinne gemacht.
»The Big Short« ist nicht nur ein mitreißender Spielfilm nach wahren Begebenheiten, ein Heldenepos der Außenseiter, sondern auch, wenn sich etwa »Experten« ans Publikum wenden und komplizierte Finanzvorgänge an Alltagsbeispielen erklären, ein höchst ironisches Lehrstück à la Brecht. Dabei wechselt er von hart geschnittenen, im (manchmal auch etwas zu) unruhigen Handkamera-Stil gefilmten Passagen zu ruhigeren Sequenzen, die Raum zum Verarbeiten lassen. Viele Mosaiksteine ergeben ein großes Bild: die Strip-Tänzerin erzählt, dass sie ihre gesamten Ersparnisse in den Teufelspapieren anlegt, da ermahnt der altersweise Rickert die sich nach einer Transaktion überschwenglich freuenden Shipley und Geller, dass mit ihrem Gewinn eine große Wirtschaftskrise verbunden wäre, und in einer Rating-Agentur muss eine Verantwortliche mit schwarzer Brille (!) zugeben, dass die Bewertungen der Hypotheken-Derivate von den Banken gekauft worden sind. Im Gegensatz zu Scorsese, der sich im aufgeblasenen »Wolf of Wall Street« überhaupt nicht für die Vorgänge an der Wall Street interessiert hat, analysiert McKay das Geschehen mit kritische-ironischem Blick. Er kommt zu einem bitteren Schluss: die ignoranten und gierigen Banker wurden in der Regel nicht zur Rechenschaft gezogen, für die Schäden kamen die amerikanischen Steuerzahler auf. Und die Krisen-Gewinner von damals haben sich aus dem Finanz-Casino, das seinen Betrieb immer noch nicht eingestellt hat, zurückgezogen.