»The Yes Men« ab 20.8.2015 im Kino!

Yes Men, © Nate Igor SmithHelden der anderen Art

»The Yes Men – Jetzt wird‘s persönlich« von Andy Bichlbaum, Mike Bonanno und Laura Nix

LÄUFT IM: CINEMA

Die Yes Men, der Programmierer, Autor, Job Hopper und schließlich Professor für Design, Jacques Servin alias Andy Bichlbaum, und der Kunst-Professor Igor Vamos alias Mike Bonnano, sind, zusammen mit wechselnden Mitarbeitern, zur wohl bekanntesten Gruppe von Web-Aktionisten, Culture Jammern und Guerilla Künstlern geworden.

Einige ihrer Aktionen finden sich längst in jedem Theorie- und Praxis-Buch zu Subversion, Über-Affirmation und eingreifender Kunst. Die Aktion der »Barbie Liberation Front« etwa, bei der die Sprach-Module der Barbie- und der GI-Joe-Puppen ausgetauscht wurden, Auftritte als Vertreter der WHO, bei denen neue Formen des Sklavenmarktes oder Umweltzerstörung als Ziel des Marktes gefordert wurden (ohne dass dies im Zuhörersaal für nennenswerten Protest gesorgt hätte), gefälschte Webseiten und Pressekonferenzen, bei denen einer von ihnen im Second Hand Anzug und Krawatte überzeugend die größten Ungeheuerlichkeiten im Dienst des »freien Marktes« verkünden etc. Die Yes Men sind Helden der sozialen Bewegungen ebenso wie der politischen Kunst; wären sie im »richtigen« Kunstmarkt unterwegs, dann müssten sie aufgrund ihrer Bekanntheit und ihres medialen Images gewiss schon Multimillionäre sein. Stattdessen sind alle ihre Unternehmungen Gratwanderungen zwischen juristischem und ökonomischem Ruin, setzen sie ihre nicht gerade üppigen Professorengehälter ein und ihre privaten Beziehungen aufs Spiel. Auch davon handelt dieser Film.
Es ist der letzte Teil einer Trilogie von Film-Dokumentationen, die immer auch dazu dienen, die nächsten Aktionen zu finanzieren. (In aller Freimütigkeit bekennen sie, dass die Bücher zu ihren Culture Jamming-Aktionen einfach niemand kaufen wollte.) Der deutsche Titel verrät fast schon ein wenig zu viel von dem, worum es auch geht, nämlich um die Menschen hinter den Yes Men und um ihre Krisen und Zweifel. Der Originaltitel »The Yes Men Are Revolting« bleibt da schon mehrdeutiger. Aber der Reihe nach.

Der Film beginnt mit einer neuen Aktion, als vorgebliche Firmen-Manager präsentieren sie die »SurvivaBalls«, mit denen man angeblich in autonomen Ball-Rüstungen die Klimakatastrophe überleben kann. Sie sollen den Fluss rüber zu den Vereinten Nationen schwimmen, wo man zum xten Mal über Klimaschutz und Umwelt debattiert. Wieder wird nichts geschehen außer ein wenig Presse-Rummel: die Yes Men werden glattweg verhaftet, die SurvivaBalls mit Maschinengewehren bedroht.
Währenddessen stellen sich die Yes Men vor und erinnern sich an die fröhlichen Tage vom Beginn ihrer Zusammenarbeit. Aber die Dinge sind schwieriger geworden, nicht nur, weil man älter wird. Die beiden haben sich 1996 kennengelernt. »Es war irre, es war als stände da die andere Hälfte von mir, genau so durchgeknallt wie ich«, sagt Mike Bonnano über Andy Bichlbaum. Aber die Einschnitte, die die Aktionen für Beziehungen, Beruf und Familie bringen, werden immer krasser. Der eine hat endlich eine stabile Beziehung aufgebaut, der andere wird zum dritten Mal Vater. Die Spannungen zwischen den beiden steigen ebenfalls, schließlich zieht sich Mike mit seiner Frau in deren schottische Heimat zurück, wo es ein Gesundheitssystem und ein friedvolles Leben gibt. Und Andy, etwas von der Rolle, nachdem ihn sein Geliebter wegen der ständigen Aktionen verlassen hat, versucht allein weiter zu machen. Klar, dass die gemeinsame Sache dann doch stärker ist und Mike die schottische Idylle hinter sich lässt, um wieder in eine Aktion gegen die Klimazerstörung durch die Industrie der fossilen Brennstoffe und ihre Lobby zu ziehen. Wäre dies ein Spielfilm, vielleicht mit Woody Harrelson und Ethan Hawke in den Hauptrollen, dann wäre das auch schon das Happy End. Aber so einfach ist es nicht.
Das, was wir von den Yes Men »persönlich« erfahren, ist erklecklich und wahrt doch gewisse Grenzen. Beide begleiten wir bei einem Besuch im Elternhaus, und wir erfahren, dass beide Söhne von Holocaust-Überlebenden sind. Außerdem, dass die erfolgreichen Aktionen immer auch zwischen Niederlagen stattfanden und dass die Drohung der »Chamber of Commerce« mit einem Rechtsstreit den Ruin der beiden bedeuten würde. Sie erklärten bei einer Fake-Pressekonferenz, dass man nun hier, in der größten und aggressivsten Lobby-Organisation der Öl- und Kohleindustrie, für eine CO2-Steuer zur Rettung des Klimas beschlossen habe. Zum zweiten Mal erleben wir, wie aggressiv die Reaktionen der Mächtigen sein können, wenn es  ums Geld geht.
Aber es ist nicht nur diese ständige Bedrohung und der hohe Preis, den man in seinem Privatleben für die Existenz als Aktivist und sozialer Fälschungskünstler bezahlt, es ist auch die Folgenlosigkeit der eigenen Arbeit, es ist die Dreistigkeit, mit der internationale Konzerne noch jeden lokalen Sieg der Umweltschützer in eine globale Niederlage verwandeln, etwa wenn Shell nicht in der Arktis von Alaska bohren darf, was durch einen harten Kampf der Aktivisten verhindert werden konnte, sich dann blitzrasch mit Gazprom zusammentut, um die Zerstörungen eben auf der anderen Seite weiter zu treiben. Es sind schließlich auch die Nachrichten von der »Arabellion«, die mithelfen, wenigstens die Sinnkrise der Aktivisten zu überwinden. Doch das ist nun auch schon wieder eine Zeit her.
Einen Absturz in Melancholie oder gar Larmoyanz gibt es in »The Yes Men Are Revolting“ nicht, stattdessen eher eine nüchterne Darstellung eines Dilemmas, in das jeder Mensch früher oder später einmal gerät, der sich, nun ja, der Verbesserung oder der Rettung der Welt verschrieben hat. Die Yes Men machen weiter, aber nicht, als wäre nichts geschehen.
Die letzte Sequenz dieses Films ist von umwerfender Absurdität. Ich möchte die Spannung nicht verderben, daher nur so viel: Die Revolte der Yes Men fördert nicht nur die ökonomische Brutalität bei der Ausbeutung der Welt zutage, sondern auch die nahezu grenzenlose Bereitschaft der Leute, sich zum Idioten zu machen, wenn es nur irgendeine Autorität so will. Sollten, was eher wahrscheinlich ist, die Yes Men die Welt nicht retten können, so können wir das Ende wenigstens mit einem grimmigen Lachen über die Menschen hinnehmen, die es verursacht haben.

Georg Seeßlen
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THE YES MEN – JETZT WIRD‘S PERSÖNLICH (The Yes Men Are Revolting)
von Andy Bichlbaum, Mike Bonanno u. Laura Nix, NL/DK/F/D 2014, 91 Min.
Dokumentarfilm
Start: 20.08.2015

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