Babtou (Farba Dieng) ist ein schwarzer junger Mann. Das ist in Frankfurt nichts Ungewöhnliches. Wenn es aber nach seinem Pass geht, ist er Senegalese, obwohl er nie im Senegal gewesen ist. Seine Eltern kamen halt von dort, und nach den damaligen Gesetzen bekam ihr in Deutschland geborener Sohn auch ihre Staatsbürgschaft. Das ist der Ausgangspunkt von »Toubab«, einer Abschlussarbeit von Florian Dietrich an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin.
Babtou – kein Schreibfehler, sein Name ist der im Black Slang Verlan verdrehte Filmtitel, der »weißer Mann« bedeutet – ist auf die schiefe Bahn und deshalb hinter Gitter gekommen. Bei seiner Entlassung aus dem Knast tifft er sogleich wieder die entsprechenden kleinkriminellen Freunde. Sie lassen spontan ihre getunten Autos mitten auf einer Kreuzung stehen und feiern Babtous neue Freiheit, die nach handfesten Auseinandersetzungen mit der von genervten Autofahrern herbeigerufenen Polizei erst einmal ein schnelles Ende findet.
Babtou landet in der Ausländerbehörde und bekommt, erneut straffällig geworden, eine Abschiebung angedroht. Da kann nur die Ehe mit einer Einheimischen helfen.
Und so begibt sich Babtou wie einst Buster Keaton in »Seven Chances« auf Brautschau – und wird, ebenso wie der großartige Stummfilm-Komiker, barsch zurückgewiesen (allerdings bilden jetzt unwirtliche Plattenbau-Hausflure die Szenerie für des Helden Abfuhren).
Die zündende Idee und das Hauptthema des Films ist schließlich eine gleichgeschlechtliche Heirat mit Freund Dennis (Julius Nitschkoff). Fortan dreht sich alles darum, Babtous Homosexualität den beiden Ermittlern der Ausländerbehörde, Herrn Rupert (Michael Mertens) und Frau Zeug (Valerie Koch), glaubwürdig vorzuspielen.
Während in früheren Filmen, etwa im »Hochzeitsbankett« von Ang Lee, die verräterischen Hinweise aus der Wohnung versteckt wurden, damit Eltern nicht das Geheimnis hinter der WG erkannten, wird diesmal die gemeinschaftliche Wohnung, in die Dennis ohne Wissen seiner Freundin einziehen muss, extra plüschig mit Penislampe und entsprechenden Bildern dekoriert.
Ziemlich geschickt vermeidet es der Film, die gleichgeschlechtliche Ehe massiv durch den Kakao zu ziehen. Die Nachbarn sind aufgeschlossen und nehmen die beiden auch noch in die Schwulenszene mit. Dagegen werden die Ermittler mit ihren getrennten Befragungen und unverhofften Besuchen umso unsympathischer gezeigt.
Dieser erste Spielfilm des 1986 in Wiesbaden geborenen Florian Dietrich wirkt erstaunlich routiniert, ist doch der Regisseur kein unbeschriebenes Blatt. Er besitzt Erfahrung als Regieassistent am Staatstheater Wiesbaden und studierte Mediendramaturgie in Mainz, bevor er sich zum Regiestudiengang an der dffb einschrieb. Außerdem gehen drei zu mehreren Festivals eingeladenen Kurzfilme auf sein Konto.
Doch wie kommt ein im Theatermilieu und der Medientheorie groß gewordener Regisseur dazu, eine Geschichte aus dem Frankfurter Halbweltmilieu zu erzählen? Und nicht nur das, man bekommt auch das Gefühl, dass da einer weiß, was er tut, und dass er die klassische Regel für Anfänger befolgt: Erzähle von dem, was du kennst!
Dietrich kann zusammen mit seinem Co-Autor Arne Dechow auf Theaterprojekte an einer Jugendstrafanstalt zurückblicken, bei denen er von Abschiebung bedrohte Jugendliche kennengelernt hat, die nie in dem betreffenden offiziellen »Heimatland« gelebt hatten.
So kommt es, dass im Film immer Sympathie für die handelnden Personen mitschwingt, auch wenn die Handlung bisweilen grenzwertig wird.
Claus Wecker (Foto: © Camino Filmverleih 2021)
TOUBAB
von Florian Dietrich, D/SN 2021, 96 Min.
mit Farba Dieng, Julius Nitschkoff, Valerie Koch, Michael Maertens, Seyneb Saleh, Paul Wollin
Komödie
Start: 23.09.2021