Die Sommerwerft 2012 (bis 11. August 2012)
Das liest sich schon recht komisch, dieses »10+1=11 Wir setzen noch 1 drauf!«, mit dem der Antagon-Chef und Sommerwerft-Erfinder Bernhard Bub das frische Programmheft 2012 einleitet. »Noch 1« heißt es, als stehe irgendwie in Frage, daß es nicht noch zwei, noch fünf, noch zehn Sommerwerften geben wird
Fakt aber ist: Auch wenn das Kulturfest an der Weseler Werft für die meisten seiner jährlich 40 bis 50.000 Besucher nicht mehr wegzudenken ist, so gilt es für die Veranstalter doch Jahr für Jahr aufs Neue, mühevoll die Behörden zu überzeugen. Und leichter wird es nicht: Immer wieder werden die Bedingungen neu definiert oder Teile des Angebots in Frage gestellt. Die Sommerwerft kriegt zu spüren, daß das ganze östliche Mainufer im Umbruch ist. Und daß mit den Türmen der EZB nicht nur die Auflagen und Kosten wachsen, sondern offensichtlich auch die Neigung, das gesamte Ufer des alten Hafengeländes als kulturelles Exclusivum der Edelapartments mit Mainblick, die hier entstanden sind, zu betrachten.
Dabei hätte die Stadt allen Grund, stolz und froh zu sein. Stolz auf die Sommerwerft und den einmaligen Kontrast, den das schräge bunte Treiben am Fluß vor der Glasmetallkulisse der Bankenhochhäuser zeichnet. Und froh über das riesige Angebot. Das Event avancierte in den vergangenen elf Jahren zu einem kulturellen Leuchtturm der Stadt, dessen Strahlkraft längst internationale Aufmerksamkeit erzeugt und in der Dichte von Kunst, Musik, Theater und Performances im öffentlichen Raum deutschlandweit hervorsticht. Dabei ist das Festival nicht kommerziell und der Eintritt frei. Die Künstlergagen bemessen sich allein aus den Spenden nach ihren Auftritten, und bis zu 100 Helfer sorgen ehrenamtlich für einen reibungslosen Ablauf. Nicht verschwiegen werden soll, daß das Kulturamt die Sommerwerft mit rund 18.000 Euro unterstützt, rund zehn Prozent des Gesamtaufwands.
Und auch die Sommerwerft 2012 zündet vom 27. Juli bis zum 11. August ein künstlerisches Feuerwerk, bei dem die brasilianische Künstlergruppe Vila Vox aus Bahia für die schönsten und stärksten Farben sorgen dürfte. Die südamerikanischen Künstler sind über das gesamte Festival präsent und werden auch zum spektakulären Auftakt am Goetheplatz Farbtupfer setzen. Wie im vorigen Jahr wird die City einen Walking Act – man kann das auch eine Demo nennen – zum Eisernen Steg erleben, von dem aus wieder die Primus-Line alle Teilnehmer kostenlos auf das Festivalgelände schiffen wird.
Nachdem dort die französische Brassband »La `Tit Fanfare« mit Weltmusik den Startschuß gibt, wird im Beduinenzelt und auf der Open-Air-Tribüne auf Programm geschaltet. Das Herz des Festivals bleiben freilich die Straßentheater-Acts, die Antagon mit »Time Out« eröffnet, einem ihrer bekanntesten Stücke. Drei Tage später (1.8., 2.8.) folgt mit »Frame Games« die zweite Heimproduktion. Vila Vox führt am Freitag (3. 8.) und Sonntag (5.8.) spektakulär »The Secret of Transoco’s Ark« auf, das Berliner Wandertheater »Ton und Kirschen« bringt mit »La Luna« (8.8.) ein Hommage an Garcia Lorca, das Tanztheater Hiroko & Atashi (9.8.) zeigt »Skin«. Mit der italienischen Gruppe Ondadurto, die an den Finaltagen (10.8., 11.8.) auf der poetischen Traumreise »Felliniala« dem großen Federico und seinen Filmen huldigt, ist eine weitere internationale Großgruppe am Fluß zu Gast, bevor das Festival traditionsgemäß und würdig mit der Musik der Gruppe Embryo ausklingt.
Sonntagmittags gibt es Kinderprogramm, sonntagabends (18 Uhr) Capoeira-Workshops, an mehreren Spätabenden werden Open Air Filme gezeigt, und an den Wochenenden dröhnt dann die Disco jedem, der will, auf die kopfhörerbewehrten Ohren. Schade, daß man nichts hört, wenn man die Leute dann tanzen sieht. Was tut man nicht alles für die gute Nachbarschaft.