»Another German Tank Story« von Jannis Alexander Kiefer

Wenn vom deutschen Osten die Rede ist, herrscht im Westteil Deutschlands ein generelles Unverständnis. Ganz schlimm wird es, wenn es auch noch um die ostdeutsche Provinz geht. Da erstarkt die westliche Ignoranz ganz besonders. Vielleicht liegt der Grund darin, dass man im Osten immer noch deutsch sein will und nicht irgendwie weltbürgerlich. Wenn dort amerikanischer Besuch eintrifft, können sich urkomische Situationen ergeben.

Ein bisschen ähnelt der Einzug einer amerikanischen Filmcrew in dem kleinen Dorf Wiesenwalde dem Einzug der amerikanischen Truppen in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkrieges. Seinerzeit wurde alles plötzlich anders, es gab Reeducation, neue Möglichkeiten taten sich auf. Bis nach Wiesenwalde sind die amerikanischen damals nicht gekommen.
Die heutigen Dörfler sind selbstverständlich besser dran, als der erste Panzer bei ihnen auftaucht. Schließlich wehen bei ihnen schon lange keine Hakenkreuzfahnen mehr. Sie brauchen sich also nicht zu fürchten.
Allerdings landet dieser Panzer im Vorgarten der Bürgermeisterin Susanne (Meike Droste) und bleibt dort, weshalb Susanne am Set vorstellig wird. Man sollte doch meinen, dass »the tank« – im Dorf ist Englisch zweite Verkehrssprache geworden – bei den Dreharbeiten zu einer amerikanischen Weltkriegsserie dringend gebraucht wird.
Bis dahin gab es im Ort nur ein bedeutendes Ereignis: Vor langer, langer Zeit hatte der berühmte Komponist Georg Philipp Telemann aus dem Dorfbrunnen getrunken und war von einem schweren Leiden geheilt worden. Deshalb wurde ihm eine Statue gewidmet und trägt der immerhin noch vorhandene Gasthof den Namen Telemann-Klause.
»Der Dreh ist ein ›game changer‹«, heißt es nun im Dorf. Die Bürgermeisterin sieht eine Möglichkeit, dass Wiesenwalde bekannt wird und Touristen kommen werden. Einige Dorfbewohner dürften von den Amis gebraucht werden, hoffen sie. Und tatsächlich passiert das auch. Susannes erwachsener Sohn Tobi (Johannes Scheidweiler) wird beispielsweise ein Fahrer für die Filmschaffenden. Nur dumm, dass er soeben durch die Führerscheinprüfung gefallen ist und deshalb keine Fahrerlaubnis besitzt.
Jenny (Gisa Flake), die Wirtin in der Dorfschenke, sieht schon viele neue Gäste kommen, derweil bei ihr der naive Wolffi (Alexander Schuster) sich in seiner gutsitzenden Wehrmachtsuniform große Hoffnungen auf eine Schauspielerkarriere macht und Susannes nach jahrelanger Abwesenheit heimgekehrter Exfreund Bert (Roland Bojour) sich für seinen ziemlich wackligen Journalistenjob eine verwertbare Story verspricht.
Die Telemann-Klause und der Dorfladen sind die Fixpunkte im Film. Sie haben durch den vermutlich von den Filmleuten verursachten Stromausfall einen großen Schaden. Aber Versorgungsmängel kennen die Älteren ja noch aus DDR-Zeiten. Man hält also zusammen und bestellt Stromaggregate.
All das hat Regisseur Jannis Alexander Kiefer zusammen mit Theresa Weininger in einem Drehbuch verarbeitet, das ein liebevoll ironisches Porträt dieses weithin unbekannten Biotops zeichnet. Der in Babelsberg ausgebildete Regisseur wollte nach eigenen Angaben einen Film »über ein vergessenes Dorf und eine ungesehene Gesellschaft, über die Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte der Bewohner« machen und die Erzählung mit einem märchenhaften Anstrich versehen. Das ist ihm vortrefflich gelungen. Bleibt zu hoffen, dass er bei dem vornehmlich westdeutschen, städtischen Kinopublikum die verdiente Resonanz findet.

Claus Wecker / Foto: © Adam Graf/FILMPERLEN
>>> TRAILER
Another German Tank Story
Komödie von Jannis Alexander Kiefer,
D 2024, 96 Min., mit Maike Droste, Johannes Scheidweiler, Roland Bonjour, Gisa Flake, Alexander Schuster, Monika Lennartz
Start: 10.04.2025

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