»Black Friday For Future« von Olivier Nakache und Éric Toledano

Radikale Umweltaktivisten, Schnäppchenjäger, unbelehrbare Schuldenmacher und konsumkritische höhere Töchter vereinen sich in dieser Sozialkomödie zu einem fröhlichen Reigen. Nach ihrem Erfolg »Ziemlich beste Freunde« erfreut das Duo Nakache/Toledano mit einem vielschichtigen Panorama gesellschaftlicher Sollbruchstellen

»Albert!« – so piefig brauche sein Tarnname doch nicht zu sein, sagt Cactus (Noémi Merlant), die Anführerin sozialbewegter Aktivisten, zu ihrem neuen Mitstreiter. Um sich dem ›esprit de corps‹ der Gruppe anzupassen, gibt Albert (Pio Marmaï) also vor, dass sein Vorname ein ironischer Witz sei. Seine Mitverschwörer nennen sich Antilope oder Quinoa. Cactus’ eigener offizieller Vorname wird später auf der Polizeiwache enthüllt. Er verrät eine großbourgeoise Herkunft, derer sie sich sichtlich schämt.
Cactus’ Wohnung ist ein Altbau-traum, jedoch leer, weil sie dem Konsum abgeschworen hat. Das Vorstadthäuschen von Bruno (Jonathan Cohen), Alberts Kumpel, ist auch leer, ausgeräumt vom Gerichtsvollzieher. Der Culture Clash zwischen freiwilliger Askese und unfreiwilliger Armut verrät, neben weiteren treffsicheren Milieubetrachtungen, die Handschrift des besagten Duos Olivier Nakache/Eric Toledano.
In ihrer neuen Komödie zünden die Filmemacher ein Feuerwerk soziologischer Pointen. Albert jobbt am Flughafen und schläft auch dort, denn er ist obdachlos. Bei einem windigen Nebengeschäft lernt er Bruno kennen, der Haus und Familie verloren hat. Beide, über alle Ohren verschuldet, werden durch ein Freibier-Angebot zu einer Gruppe von Umweltbewegten gelotst. Im Windschatten der jungen Idealisten, die mit Wohnungsauflösungen Geld für soziale Belange sammeln, machen sie ihre eigenen Geschäfte. Und treiben die Gruppe zu immer radikaleren Aktionen, darunter eine Bankbesetzung, bei der sie insgeheim ihre Schuldnerakten vernichten wollen – dies allerdings so dilettantisch wie alles, was die zwei anfassen.
Es wäre ein leichtes gewesen, sich sowohl über die Naivität hipper Aktivisten wie das Losertum der Schnorrer lustig zu machen. Doch die Filmemacher haben nicht nur Mitglieder von »Extinction Rebellion« konsultiert, sondern auch viele von ihnen als Statisten eingesetzt. Der Humor ist, wiewohl burlesk und manchmal tiefer gelegt, niemals hämisch. Man spürt, dass die Autoren sich ernsthaft Gedanken zu den Pathologien rund um Geld, Konsum und Gier gemacht haben.
Wie bei einer russischen Puppe verbirgt ein Thema ein weiteres. Die thematische Bandbreite reicht von einem spielsüchtigen Schuldenberater über Anhörungen zum Schuldenerlass, in dem es à la Zwegat, dem Schuldenberater einer deutschen TV-Dokuserie, ans Eingemachte des Selbstbetrugs geht, bis hin zu einem Zitat des Kulturhistorikers Jean-Pierre Vernant über das, was im Leben wirklich zählt.
Gegen Ende leider wirkt die sich organisch entwickelnde Handlung dann doch überkonstruiert. Aber was für diesen Film vor allem einnimmt, ist sein fröhlicher Drive und das nahezu perfekte Timing, mit dem scheinbar disparate Themen zusammengebracht werden. Dazu erklingt ein eklektischer Soundtrack, der vom elektrisierenden »Le freak« reicht und an die bewegten 68iger erinnert, über die Weltuntergangsstimmung von »The End« der Doors, bis hin zu Jacques Brels Chanson »La valse à mille temps« das poetisch-anarchistisch gestimmte Filmende untermalt. »Une année difficile« – so der Originaltitel – beschwören in der Ouverture eine von 1974 bis heute reichende Riege französischer Präsidenten in ihren Weihnachtsansprachen: die Zeiten, sie sind immer schwierig.

Birgit Roschy / Foto: © Carole Bethuel
>>> TRAILER
BLACK FRIDAY FOR FUTURE (Une année difficile)
von Olivier Nakache, Éric Toledano, F 2023, 120 Min.
mit Pio Marmaï, Jonathan Cohen, Noémie Merlant, Mathieu Amalric, Grégoire Leprince-Ringuet, Luàna Bajrami
Komödie. Start: 28.12.2023

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