Hund weg. Frauen auch. Was nun?
Kaum erschienen, schon auf der Spiegel-Bestsellerliste. Wieder ein Erfolgsbuch eines der erfolgreichsten deutschen Autoren der Gegenwart. Und eine Geschichte von literarischem Gewicht. Denn Bodo Kirchhoff ist vor allem ein Sprachkünstler, auch wenn er sich in seiner Virtuosität gelegentlich überschlägt. Zudem spart er nie an Handlung, was seinen Büchern einen Suchtcharakter gibt.
Als Louis Arthur Schongauer, »der knochige Mann, eher älter als alt«, das Geräusch durchdrehender Reifen hört, weiß er sofort, was das bedeutet. Wieder einmal ist ein Fahrer in der schmalen Auffahrt zu seinem Haus stecken geblieben und versucht nun, vergeblich, mit durchdrehenden Reifen zu wenden. Schongauer schnappt sich seine Pistole, die eine nicht unwichtige Geschichte hinter sich hat und trifft auf die vierundzwanzigjährige Frida und ihr beschädigtes Wohnmobil. Frida ist eine Reise-Bloggerin und eher ziellos unterwegs.
Der fast fünfundsiebzigjährige Schongauer lebt seit dem Tod seiner Frau Magda vor fünf Jahren allein mit der Hündin Ascha in dem Haus oberhalb des Gardasees. Er mag dieses ruhige Leben. Trotzdem hat er einer Autorin, Almut Stein, die da und dort kleinere Sachen veröffentlicht, erlaubt, ein Porträt über ihn zu schreiben. Jetzt erwartet er ihren Besuch, der am nächsten Tag auch eintrifft. Als sich dann noch die Mutter von Frida, Lilly Roth, eine bekannte TV- Moderatorin, ankündigt, ist der einsame Wolf plötzlich von drei Frauen umgeben. Sie bringen seinen Alltag ziemlich durcheinander, »auf einmal steht die Welt Kopf, seine kleine Welt hier oben«. Er genießt es aber auch, die Frauen zu bekochen und vor allem dieser Lilly ständig Wein nachzugießen.
Kirchhoff hat seinen Stoff im Griff. Dramaturgisch geschickt dosiert er die Handlung, gießt dort, wo es nur noch auf kleiner Flamme zu köcheln beginnt, stets rechtzeitig wieder Öl ins Feuer. Über manche Wendung ließe sich sicher streiten. Egal, denn der Sog, den er erzeugt, zieht den Leser bis zum Ende mit. Durch Almuts Fragen, die, wenn nötig, immer nachbohrt, wird Schongauers ganzes Leben, auch und gerade an seinen dunklen Stellen durchleuchtet. Es sind vor allem zwei Ereignisse, die ihm nach wie vor zusetzen.
Als junger, eher erfolgloser Schauspieler, der in Hollywood gelandet ist, verkörpert er hauptsächlich üble Nazi-Rollen. Seine damalige, noch sehr junge Geliebte erschießt sich vor seinen Augen mit dem uns schon bekannten Revolver.
Jahre später lernt Schongauer die bekannte Tierfotografin Magdalena Reinhard kennen und gibt für sie seinen ungeliebten Job auf. Magda fotografiert mit Vorliebe und äußert erfolgreich geschundene Tiere und reist dafür durch die ganze Welt.
Eines Tages, an der Küste vor Dakar, springt Magda wider alle Vernunft in die mörderische Brandung und kommt vor seinen Augen darin um. Schongauers beide Besucherinnen empören sich über seine Untätigkeit. »Warum hält man einen Menschen nicht davon ab, in eine Brandung zu gehen«, die schon »ein Pferd« umgebracht hatte. Das Bild dieses Pferdes, Magdas letztes Foto, hängt in einem riesigen Format über Schongauers Couch.
Es scheint so, als genüge dem alten, einsamen Mann die Liebe seines Hundes. Doch es zeigt sich immer deutlicher, dass ihm mehr fehlt: die Nähe von Menschen. Deshalb hat er der Anfrage von Almut sofort und erwartungsvoll zugestimmt. Dass sich eine Frau für ihn interessiert, erweckt Hoffnung in ihm.
Am Ende jedenfalls gehen alle ihrer Wege. Frida, die Bloggerin, nimmt allerdings Ascha, die Hündin, mit und notiert in ihrem Blog: Ascha sei »irgendwie verjüngt, ohne ihren alten, geschwächten Herrn, gar nicht depressiv.« Ein Alterswerk? Melancholisch allemal, aber auch resignativ? Kaum. Denn etwas dringt durch, das sich nicht wie ein roter Faden, eher wie ein breites Band durch Kirchhoffs Werk zieht: Liebe, also Eros, aber zugleich die Sehnsucht nach Liebe. Sozusagen die christliche Botschaft nach dem Ende des Christentums