Wie künstlich ist Natur, wie natürlich ist Kunst? Wenn man sich Bilder von der Natur macht, oder Fotos in der Natur, welchen Vorgaben folgt man dabei? Lediglich seiner eigenen Vorstellung? Was gilt als schön, welches Motiv, welcher Blickwinkel ist eine Aufnahme überhaupt wert? Man denke an die Strände, Schlösser, Berggipfel der Welt, die aufgrund der sozialen Medien unter overtourism leiden. Wie verändert sich durch ein millionenfach publiziertes Bild die eigene Wahrnehmung? Findet man nur das schön, was man bereits gesehen hat? Wie verändert sich die Natur durch die auf uns einstürzenden Klimakrisen? Welchen Bildern von Natur kann man im Zeitalter von KI überhaupt noch trauen?
Und: Welche Rolle spielt der technologische Fortschritt, der mit Riesenschritten sich quasi einer menschengemachten Kontrolle entledigt, seine eigenen Richtlinien und Gesetze formuliert. Computergenerierte Bilder verweben sich mit Erinnerungen an Landschaften, welche davon haben Bestand?
Diese Fragen beschäftigen das seit 2003 bestehende Künstlerkollektiv Troika um Eva Rucki, Conny Freyer und Sebastian Noel, das mit Skulptur, Film, Malerei und Installation multimedial arbeitet. Für die vorläufig letzte Schau in der Schirn haben sie eine atemberaubende Installation geschaffen, die, obwohl mit diesem breitgefächerten theoretischen Überbau konfrontiert, eine überwältigend sinnliche Antwort darauf gibt.
Eine Salzlandschaft ist in der Halle ausgebreitet, deren sanfte Kräuselungen darin erinnern, welche zarten Linien das Meer im Sand hinterlässt, wenn es sich zurückzieht. Das Kollektiv hat die großen Fenster des Saals unverstellt gelassen, wie man das so schon von der Schau um Hans Haacke kennt, und in klare, leuchtende Blau-Grün-und Rottöne getaucht. Die Farben wechseln, und gleichzeitig verändert sich auch die Atmosphäre im Raum. Der Alltag außerhalb der Schirn ist also durchaus präsent. Und konstruiert einen Gegensatz zum Videoloop »Buenavista«, der auf zu Türmen geschichteten Bildschirmen zu sehen ist. Dieser Einbruch der Wirklichkeit ist wohl kalkuliert: von den Monitoren sieht man als Erstes die Rückseite, wenn man den Raum betritt.
Ausgehend vom dem auf 3.600 Metern hoch gelegenen Salar de Uyuni in Bolivien stürzt die künstlich erzeugte Bilderflut in einen Wirbel aus ähnlich spektakulären Naturaufnahmen, seien es Dschungellandschaften, Palmensäume, Steinabbrüche, schneebedeckte Acht-Tausender, und in der Mitte tanzt ein: ja was? Es ist ein Roboterarm, der mit wehendem Pelz eingekleidet wurde. Er streckt sich, beugt sich, schüttelt sich, dehnt sich zu einem Soundscape aus übereinandergeschichteten Tierlauten und einer computergenerierten Stimme, seine Tanzschritte sind aus Sufi-Vorgaben und wirbelnden Derwisch-Choreografien komponiert. Das Vexierspiel aus bekannten Landschaftsbildern und einem völlig unbekannten Wesen darin überrumpelt die Sinne, fordert sie heraus, schärft alle füreinander, lässt buchstäblich den Boden unter den Füßen verlieren. Gleichzeitig wird auch eine politische Botschaft transportiert: aus dem Salar de Uyuni extrahiert man Lithium und nimmt dafür eine gigantische Umweltzerstörung in Kauf, denn die scheinbare Unbewohnbarkeit des Salar ist Schutzraum für Tiere und Pflanzen.
Eine weitere Installation zeigt Disteln, die auf einem Bett aus silbern glänzenden Steinen zu tanzen scheinen, doch die Erklärung ist simpel: pulsierende LED-Leuchten werfen ihr Licht auf sie und erzeugen dadurch diese Illusion.
Ein Blick-Verwirrspiel als Abschluss der Saison, das kann man echt als gelungen bezeichnen. Es wird ein dreitägiges Performancefest Ende März in der nun abgebauten Galerie geben und eine »Schirn at night« Party am 30.4. Anschließend bezieht die Schirn ihre Interims-Stätte in der durch Protestaktionen vor dem Abriss bewahrten Dondorf-Druckerei. In unmittelbarer und sehr guter Nachbarschaft zum Bockenheimer Depot.