Wer’s noch nicht weiß: Im Theaterkeller der Bad Vilbeler Wasserburg lässt sich mit einem Drink am kleinen Tischchen vor sich herrlich Kultur genießen. Es gibt auch Nur-Sitzplatze, doch fühlt man sich auch da wie im Kabarett, wenn auch ohne Ausschank. Dafür dauern die Stücke, die hier gegeben werden, kaum länger als es braucht, ein Glas Bier, Wein oder Aperol Spritz mit Genuss zu leeren. Und wenn es so turbulent, skurril und durchaus auch spannend wird, wie bei den Bühnenadaptionen der Achtsam-Krimis von Karsten Dusse, da kann es passieren, dass man sogar das Trinken vergisst. Echt.
Zur neuen Saison haben die Burgfestspiele die zweite Folge der bisher fünf Titel umfassenden Krimireihe um den achtsamen Anwalt Björn Diemel auf dem Spielplan. Auch die hier gefeierte erste (»Achtsam Morden« ) wird (19. Juli) bald wieder aufgelegt. Bedingung zum Verständnis der Fortsetzung ist sie nicht. Da ist Regisseur Ulrich Cyran vor, von dem auch die Bühnenfassung des 500-Seiten-Werks stammt. Wissen muss man nur, dass Björn Diemel seinen Wohlstand der lukrativen, aber auch gefährlichen Klientel des Schwerverbrechens verdankt, der er sich von den Achtsamkeitsprinzipien seines Coaches Joschka Breitner geleitet, aber zu erwehren lernt. Absolut gelassen (und mit entschleunigter Brutalität) bringt Björn ganze Mafiabanden zur Strecke, um nicht nur häuslichen Frieden mit Frau und Kind, sondern auch einen Platz für Klein-Katherina im Kinderhort zu finden.
In der zweiten Folge begegnen wir Björn acht Jahre später: getrennt zwar inzwischen – und beruflich neusortiert – im Familienbergurlaub mit der Tochter. Und weil abstrus Trumpf ist, bringt der Autor seinen Protagonisten erneut in eine therapiebedürftige Lage. Ein Kellner bringt Björn zur Rage und büßt, wenn auch nicht beabsichtigt, mit dem Leben dafür. Coach Joschka Breitner löst das Problem mit einem marktgängigen Topos der Psycho-Szene: Es ist das »Das Kind in mir«, das er diagnostiziert und verantwortlich für alle erwachsenen Taten macht. Den Balg zu besänftigen ist nun das ganze Ziel für Björn, der mit dem Ex-Ganoven Sascha einen Kinderladen führt und in dessen Keller als Altlast einen Gangster gefangen hält, den er vegan ernährt.
Wie »Achtsam Morden«, so wird auch die Fortsetzung »Das Kind in mir will achtsam morden« mit nur drei Personen umgesetzt: Ralph Opferkuch gibt den Protagonisten sympathisch mit Abgründen und souverän, während sich Svenja Wasser und Thomas Gerber vor und hinter einem simplen dreiteiligen Plastikvorhang (Ausstattung Dorothea Mines) in permanenter Verwandlung nicht weniger als neun Rollen teilen – pro Person! Mit fliegenden Schnurrbärten, Hüten, Kopftüchern, Sonnenbrillen und Perücken sowie einer jede Situation passend fütternden Soundcollage (David Bosch) gelingt im Trommelfeuer eines in rasendem Tempo entzündeten Dialogfeuerwerks ein atemberaubendes Spiel, das mit bösem Humor die Psychoszene verulkt, aber auch keine Plattitüden scheut, wenn es um die Apologeten gesunder Ernährung geht. Man weiß nicht wie und warum, aber wirklich durcheinander kommt man dabei nicht. Ein Spaß, freilich auch not everybody‘s cup of tea.