Ein perfekter Erzähler, ein schräger Typ, ein echter, ein alter Engländer. Neunzehntes Jahrhundert, aber voll up to date. Die Schweizer »Nationalzeitung« schrieb, das genaue Datum lässt sich nicht mehr ermitteln, jedenfalls vor 1958, über dieses Buch: »Alle Gestalten sind genial erfasst, nichts ist schablonenhaft dargestellt, und Maughams größte Leistung besteht dabei vielleicht darin, dass er das ganze Gewebe mit solch leichter Selbstverständlichkeit hinwirft, dass man beim ersten atemlosen Lesen das ganze Buch nicht anders in sich aufzunehmen vermeint als einen hinreißenden, glänzenden Kriminalroman.«
Krimi, nein! Spannend, ja! Wirklich perfekt!
Mary Panton, Engländerin, 30 Jahre alt, und bereits Witwe, lebt oberhalb von Florenz in einer gemieteten Villa. Vor einem Jahr war ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sein Vermögen hatte er leider vorher »verschleudert«. Sie steht nun ziemlich mittellos da. Den Rat ihres Anwalts: »Heiraten Sie das nächstemal nicht aus Liebe! Das ist ein Fehler. Kameradschaft und gesellschaftliche Stellung sind wichtiger!« hatte sie nicht vergessen.
Und damit ist das Spiel eröffnet. Sir Edward Swift tritt auf den Plan. Mary kannte ihn schon als Kind. Er war ein Freund ihres Vaters. Als sie neunzehn war, hatte sich der Dreiundvierzigjährige, zweifellos eine gute Partie, in sie verliebt, allerdings erfolglos. Jetzt nimmt er einen neuen Anlauf.
Er war bereits Gouverneur in Indien. Jetzt steht ein weiterer Karrieresprung bevor, was ihr durchaus imponiert. Ein »hervorragender Verwaltungsbeamter, … entschlossen, aber taktvoll und bei aller Hartnäckigkeit und Energie auch großzügig und maßvoll.« Mary, jetzt wieder allein, lässt Edward hoffen, dass sie seinem Werben nachgeben könnte, ihn heiraten und mit nach Indien gehen würde. Sie bittet ihn aber um drei Tage Bedenkzeit.
Und hier wird jetzt die nächste Runde eingeläutet.
Mary ist zu einem Abendessen in ein Restaurant eingeladen. Sie fährt mit ihrem eigenen Auto dorthin. Etwas widerwillig steckt sie den kleinen Revolver in ihre Handtasche, den Edgar ihr zu ihrer Sicherheit regelrecht aufgezwungen hatte. Klar, dass dieses kleine Gerät noch eine größere Rolle spielen wird.
In dem Lokal trifft sie auf Rowley Flint, gut 30 Jahre alt. Sein Äußeres ist wenig attraktiv, er ist eher klein, hat unregelmäßige Zähne, macht »einen liederlichen Eindruck« und hat wegen etlicher Ehen »einen sehr schlechten Ruf«. »Sein gänzlicher Mangel am allem, was man Gefühl und Empfindung nennt, war unerträglich beleidigend. Und doch war an ihm etwas Mitreißendes.« Kurz gesagt, er hatte Sex-Appeal.
Auf dem Heimweg, allein im Auto, erkennt Mary den Geiger, der in ihrem Restaurant, wegen seines miserablen Spiels, rausgeworfen worden war.
Ein junger Student der Kunstgeschichte, Karl Richter, vor den Nazis aus Österreich geflohen, versuchte sich, mit seinem, leider miserablen, Geigenspiel über Wasser zu halten. Eine ärmliche Gestalt, der Anzug »ungebügelt und abgetragen, die Schuhe geflickt, das offene Hemd ausgefranst, ohne Kragen und Schlips«. Er erregte nicht nur ihr Mitleid, auch ihre Neugier. Sie lädt ihn ein, bei ihr noch etwas zu essen und hört sich seine Lebens-, ja eher Leidensgeschichte an. Ihr ursprünglicher Antrieb, das Mitleid, verwandelt sich in Sympathie für den jungen Mann. Doch er verliebt sich sofort, sozusagen Hals über Kopf, und erlebt, wie er sagt, die »glücklichsten Stunden seines Lebens«. Mehr, meint er, könne er von seinem Leben nicht mehr erwarten. Eine fatale Folgerung. Hier zeigt Maugham, wie man, ohne Sentimentalität, Gefühle beschreiben kann.
Und dann wendet sich erneut das ganze Spiel. Und zwar hochdramatisch. Kein Krimi, wie gesagt! Doch äußerst spannend. Die beiden vorherigen Mitspieler, der junge Rowley Flint und der alte Sir Edgar, agieren in ihren sehr unterschiedlichen Rollen. Das Ergebnis? Sicher mehr als nur eine lästige Leiche. Eines nur sei verraten: Maugham, in dem Sinne Vorgänger von Willy Brandt, fügt am Ende zusammen, was zusammengehört.