»Erde – verwobenes Leben« im Kunstfoyer der DZ Stiftung

Wo kürzlich der Blick in den Himmel ausgestellt worden war, blickt man jetzt auf … Fliegenpilze. Die Kunststiftung DZ Bank hat eine neue Ausstellung konzipiert, die sich mit dem Thema »Erde« auseinandersetzt, und erneut hat sie sich mit Perspektiven beschäftigt, die oft wissenschaftlich grundiert sind, stellt Künstler*innen aus, die interdisziplinäres Vorgehen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit rücken. Und erneut ist es eine verblüffende, wissensdurstige, anspruchsvolle Ausstellung geworden. Denn es geht nicht um die reine Abbildung von Prozessen der und in der Natur, es geht auch um das Ausloten von Grenzen der menschlichen Sinneswahrnehmung und um die Frage, wie pflanzliche Lebewesen die Welt wahrnehmen und Strategien entwickeln, sie – und nicht nur unsere heutige – zu überleben. Sie – und nicht wir, die Umwelt zerstören – bilden den konzeptuellen Ausgangspunkt.
Es beginnt mit den Pilzen. Wie viele Lebzeiten schon existieren sie, welche Klimakatastrophen haben sie buchstäblich durch stets neue Informationsverarbeitung überlebt? Pilze in Tschernobyl, die, so unwahrscheinlich das erst einmal klingt, Radioaktivität in Energie umwandeln? Nach neuesten Forschungen existieren sie bereits seit bis zu 810 Millionen Jahren. Wir betrachten die hübschen Fliegenpilze, die Carsten Höller mittels Fotogravuren auf Baumwollpapier gebannt und in ein Tableau von 12 Aufnahmen geordnet hat – und blicken plötzlich hinter die fast niedliche Oberfläche, die durch diese spezielle Technik zu schillern, dreidimensional zu schweben scheint. Eine adäquate Technik, um ihre uralte Kraft zu zeigen – und ihre rauschhafte Wirkung.
Weiß jemand, wie Pflanzen und Tiere miteinander kommunizieren und sich gegenseitig Lebensräume schützen? Jochen Lempert hat Landebahnen für Bienen aufgespürt, die der Fingerhut bildet, um sie in das Innere seiner Blüten zu locken und stellt sie in schwarz-weißen Fotogrammen dar.
Axel Hütte steuert eine Aufnahme des Regenwaldes am Río Negro bei, einer Wasserstraße, die den Orinoco mit dem Amazonas verbindet, und erweckt damit die surreale Schönheit eines Gemäldes von Henri Rousseau. Lothar Baumgarten ist mit Fotografien des Roraima vertreten, der wie verwunschen aus der venezolanischen Gran Sabana ragt, und hat sich auch über die zerklüfteten Oberflächen des ältesten Gebirges der Erde gebeugt, das dem mythischen Godwana entstammt, als die Kontinente noch eine einzige Landmasse bildeten.
Forschende sind auch die beiden Künstlerinnen Lena von Goedecke und Helena Petersen im weiteren Sinn, die sich wissenschaftlicher Methoden für die Entstehung ihres Kunstschaffens bedienen. Petersen hat Vulkanasche aus Pompeji geschmolzen – durch Forschungen von Vulkanologen wusste sie, dass dabei Glas entsteht. In der Ausstellung wird nun eine Abfolge von Dias auf eine Leinwand projiziert, in denen der Augenblick der Zerstörung eingeschmolzen ist.
Lena von Goedecke indes dokumentiert in ihren Arbeiten aus der Arktis das Verschwinden von Gletschern in einer handwerklich sehr aufwändigen Projektion. Sie hat aus ihrer Erinnerung heraus einen Gletscher am 3 D Drucker eines Computers hergestellt und ihn mit einer gitterartigen Struktur aus einem fluoreszierenden Material überformt. Drei auf Stativen gebettete i-Pads zeigen die Arktis-Aufnahmen der eingesetzten Drohnen, die sie hat machen lassen, darauf liegen Nachbildungen ihrer eigenen Finger aus Uranglas. Dieses Projekt »Lot VI« basiert auf jahrelangen Aufenthalten in der Arktis und mündete in einer seriellen Konzeption.
Die Ausstellung ist mit 30 Exponaten fast intim zu nennen, doch die Gedankenfülle, die sich dahinter verbirgt, ist schlicht und ergreifend enorm.

Susanne Asal / Foto: Carsten Höller, Mushroom, 2004 (Detail)
© VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Bis 7. Oktober: Di.–Sa., 11–19 Uhr
www.kunststiftungdzbank.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert