Der Titel ist irreführend, denn nur die Erde soll es in Zukunft nicht mehr geben. Das haben die anderen Himmelskörper beschlossen, die alles überstrahlende, eitle Sonne und jene, die sich zu Beginn in kosmischen Sphären glitzernd um sie drehen: Mars, Jupiter und Venus. Der Grund leuchtet ein: Unser Planet stört die Harmonie im Himmel. Weil, wie der herbeigerufene Erdmond erklärt, er vor Menschen wimmelt. Ein Komet soll ihn zerstören, der eigentlich zu einem Rendezvous auf der Milchstraße unterwegs ist. Aber weil er sonst nicht durchgelassen wird, muss er erst mal in die andere Richtung abbiegen.
»Der Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang« wurde 1936 in Wien uraufgeführt. Das Werk, das der 1912 in der heutigen Ukraine geborene, jüdische Autor Jura Soyfer verfasste, wirkt in der Inszenierung der Frankfurter Volksbühne, die im Februar Premiere hatte, brandaktuell. Nicht nur, weil es unter der Regie von Hausherr Michael Quast an der einen oder anderen Stelle modernisiert wurde. Vom Klimawandel bis zur Kriegsgefahr ist alles vorhanden.
Dennoch geht’s lustig zu, auch wenn man sich manchmal kaum zu lachen traut. Etwa wenn Adolf Hitler als Puppe, von Quast geführt, seine Eitelkeit hinausposaunt. Zumal das Publikum zwischendurch immer wieder mit der harten Realität von Flucht und tödlicher Verfolgung konfrontiert wird. Die biografischen Daten Soyfers werden erläutert, wie er mit seiner Familie 1921 nach Österreich flüchtete, 1934 der Kommunistischen Partei beitrat und 1938 versuchte, auf Skiern in die Schweiz zu flüchten. Österreichische Beamte nahmen ihn fest, er wurde erst ins KZ Dachau, dann nach Buchenwald gebracht, wo er im Februar 1939 an Typhus starb.
Soyfers Optimismus lässt sich aus einem Brief herauslesen, den Quast vorträgt und in dem er seiner Freundin 1932 schreibt, dass er nicht an eine große Zukunft des lächerlichen Hetzers Hitler glaubt. Auf der Bühne wird’s aber erst mal düster: Ein einfallsreicher Wissenschaftler, der wie Einstein aussieht und ein Mittel gegen die drohende Katastrophe anbietet, wird unterschätzt und an jeder Grenze abgewiesen. Während ein paar Reiche viel Geld investieren, um in einer Art Arche Noah gerettet zu werden, muss in der Masse jeder für sich mit der Apokalypse zurechtkommen. Daraus entstehen die schrägsten und absurdesten Szenen: Eine Frau weigert sich, ihrem plappernden Kanarienvogel, den Quast mit einem Käfig auf dem Kopf mimt, die Freiheit zu gewähren. Ein Händler preist auch ohne Perspektive einen unkaputtbaren Kragenknopf an. Ein unglücklicher junger Mann traut dem Abgrund nicht und will seiner Todessehnsucht im »Maa« nachgehen. Ja, genau, es wird auch Frankfurterisch gebabbelt, gesungen, was Markus Neumeyer komponiert hat, und flitzeflink umgebaut. Die Kostüme, von Sarah Groß kreiert, werden flugs auf der Bühne gewechselt. Das Ensemble mit Pirkko Cremer, Ulrike Kinbach, Sam Michelson, Randi Rettel und natürlich Quast bietet ein bitteres Vergnügen und entlarvenden Spaß. Da sich die Erde weiterdreht, lässt sich trotz Endzeitstimmung das Finale erahnen.
»Der Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang« in der Volksbühne
