Die Musical-Parodie »Something Rotten« am English Theatre

Zum Brüllen komisch

»Welcome to the Renaissance« begrüßt das Ensemble – in einem an das legendäre Globe-Theater erinnernden Bühnenbild – singend und tanzend das Publikum. Und die Verve, mit der es das tut, lässt einen gleich im Sitz versinken. Das kann ja heiter werden, denkt man insgeheim. Es wird zum Brüllen komisch werden im London des Jahres 1595, wo die Pest gerade ihren Schrecken verloren hat und ein Mann die Schlagzeilen beherrscht und sich anschickt, Englands berühmtester Dichter zu werden: William Shakespeare.
Im Schatten des übermächtigen Barden (Matt Beveridge) kämpfen die beiden Brüder Nick (Greg Miller Burns) und Nigel (Sami Kedar) um das Überleben ihrer Theatergruppe und planen, »Richard II« auf die Bühne zu bringen. Doch Shakespeare kommt ihnen mit der Idee zuvor und die Brüder werden von ihrem Mäzen Lord Clapham (Chris Tarsey) unter Druck gesetzt, sich ein anderes Stück auszudenken. Da kommt der Hellseher Nostradamus ins Spiel, der Nick eröffnet, dass die Zukunft im Theater dem Musical gehören wird – einem Genre, in dem die Schauspieler ihren Text sprechen und dann, wie aus dem Nichts, zu singen anfangen.
Was die beiden Autoren-Brüder Karey (Musik, Songtexte, Buch) und Wayne Kirkpatrick (Musik, Songtexte), sowie ihr Co-Autor John O´Farell (Buch) nun abbrennen, ist ein Feuerwerk von Wortspielen auf Shakespeare und das Musical mit musikalischen Zitaten – oft nur zwei Takte lang – durch die Broadway-Historie. Da kommt selbst der eingefleischteste Musical-Fan kaum noch hinterher.
Von »kleinen Kindern und den Nazis« (»Sound of Music«) ist die Rede, oder es wird verzweifelt nach einem gewissen Macavity (»Cats«) gesucht. Die Tänzer bewegen ihre Hände in fiebrigem Bob-Fosse-Stil oder schwingen in der »Chorus Line« ihre Beine wie weiland die »Ziegfield Follies« der 30er-Jahre-Broadway-Revuen. Alles kulminiert dann in der großartig choreographierten (Ewan Jones) Stepptanz-Nummer »A Musical«, die zum noch lange im Ohr bleibenden Showstopper des Abends wird. Und während der mitreißenden Vorführung fühlt man sich bisweilen in eine Musical-Quizshow versetz, in der man ständig in Versuchung gerät, die Auflösung in den Raum zu rufen.
Aber zurück zu unseren beiden Möchtegern-Barden. Die haben inzwischen ihren Mäzen verloren, der so gar nicht von ihrer Idee begeistert ist, ein Stück über die Pest aufzuführen – und in dem Juden Shylock (Jonathan Norman) einen neuen Geldgeber gefunden. Nostradamus sagt als größten Hit Shakespeares »Omelett« voraus, was Nick und Nigel zu einem »Eiertanz« inspiriert. Der Meister selbst schleicht sich in ihre Theatertruppe als Schauspieler ein, gibt bei einem Konzert mit einem rockigen Solo den Popstar (»Will Power«). Nicks handfeste Frau Bea (Rachael Archer), die auch schon mal in Herrenanzüge schlüpft, entpuppt sich als frühe Feministin und Nigels naive Angebetene Portia (Briana Kelly) befreit sich von ihrem puritanischen Vater (Bradley Adams). Es ist viel los am »Hof« des Schwans von Stratford-on-Avon.
Und in dem von Stewart J. Charlesworth atmosphärisch stimmig eingerichteten Bühnenbild, dem seine detailverliebten und farbenfrohen Kostüme den letzten Glanz verleihen. So ist letztlich – Musical-mäßig – alles paletti in der Renaissance. Auch wenn uns der Titel »Something Rotten!« – eine hübsche Anspielung auf »Hamlet« (»Es ist was faul im Staate Dänemark«) – schelmisch in eine andere Richtung führt.
Genau die richtige Richtung hat Regisseur und Choreograph Ewan Jones seinem mit überbordender Spielfreude und energetischem Tanz agierendes Ensemble (noch: Bethany Amber-Wilde, William Beckerleg, Estelle Denison-French, Liam Huband, Miles Waby) vorgegeben – mit einer präzisen Schauspielführung und einfallsreichen Tanzszenen, mal ganz abgesehen von dem an selige Screwball-Comedy-Zeiten erinnernden Pointen-Timing, Da sich in diesen triumphalen Abend auch Mall Halls achtköpfige Band nahtlos einreiht, braucht man eigentlich nicht zu erwähnen. »Something Rotten« ist, ohne Wenn und Aber, ein Glücksfall für die deutsche Musical-Landschaft, der hoffentlich auch die Herzen (und Geldbeutel) derjenigen öffnen wird, die dem English Theatre noch immer nicht eine Zukunft garantiert haben. Vielleicht sollten sie mal mit Nostradamus reden!

Rolf-Ruediger Hamacher / © Kaufhold
Termine: täglich außer montags um 19.30 Uhr
www.english-theatre.de

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