Die Männer in dem kleinen Schweizer Bergdorf sind skeptisch, ob das gutgeht mit der Anna (Michèle Brand), die ihnen im Gasthof das Bier bringt, und dem Marco vom Flachland (Simon Wisler), der allein an einem Tisch Tee trinkt. Ob er es hier oben in den Bergen lange aushält und ob sie nach einer gescheiterten Beziehung, aus der die vierjährige Julia (Elin Zgraggen) hervorgegangen ist, vor dem nächsten Fehltritt steht?
Beide sind schon ein merkwürdiges Paar. Sie, eine schlanke junge Frau, die im Familienbetrieb, einer kleinen Wirtsstube mit vier Fremdenzimmern, kellnert und im Dorf die Post austrägt. Er, ein gedrungener, stiernackiger Mann, der sich als Gehilfe beim Bauern Alois (Josef Anschwanden) erstaunlich gut anstellt. Aber bei einem aus Willisau weiß man ja nie …
Doch Anna ist so verliebt. Sie sucht körperliche Nähe und schmiegt sich zärtlich an den grobschlächtigen Marco. Schließlich wird in der Kirche geheiratet, die Dorfbewohner sind Zeuge des Bundes, der vor Gott geschlossen wird. Auch die kleine Julia wird einbezogen.Wer sie haben wolle, bekomme sie nur mit ihrer Tochter, hatte die Mutter schon vor den Mannsbildern im Lokal verkündet.
Aber während der Feier wird es Marco schlecht, er kotzt den Berghang hinunter. Fortan klagt er über Kopfschmerzen und Sehstörungen. Nach einem heftigen Motorradunfall wird vorsichtshalber ein CT von seinem Kopf gemacht – und danach auch ein MRT, auf dem ein Tumor über dem rechten Auge deutlich zu erkennen ist.
Marco läuft bald mit einer langen Narbe am Kopf herum. Aber die Krankheit ist offenbar nicht besiegt, denn er verändert sich. Er lässt die störrische Milchkuh von Alois einfach im Schnee stehen und verliert seine Anstellung. Selbst von Annas Bitten lässt sich Alois nicht erweichen. »Bald ist alles vorbei«, sagt Marco, und er sagt kaum noch etwas.
Sie steht weiter zu ihm, hat Angst, ihn zu verlieren, verliert ihn auch nach einem skandalösen Zwischenfall, nimmt ihn aber wieder auf und pflegt ihn im Endstadium. Sie akzeptiert seine Krankheit und macht ihn nicht für ihr Leid verantwortlich.
Regisseur Michael Koch erzählt diese Geschichte in langen, sehr bewusst gewählten Einstellungen im klassischen 4:3-Format. Die Kamera von Armin Dierolf findet beeindruckende Bilder von den abgearbeiteten Menschen, ihren Rindern, die ihre Existenz sichern, von den mächtigen Bergen und den Gesteinsbrocken auf den Wiesen, die Landwirtschaft so beschwerlich machen. Keine Postkartenidylle, sondern eine behutsame dokumentarische Betrachtung, in die nur Laiendarsteller hineinpassen. Er habe den Ansatz richtig gefunden, nicht einen Film über die Menschen in den Bergen zu drehen, sondern mit ihnen zusammen, kommentiert der Regisseur im Presseheft.
Einmal leistet sich der Film eine humoristische Einlage, als sich ein indisches Filmteam in das Alpendorf verirrt und vor dem verschneiten Bergpanorama den Tanz eines Paares in farbenfrohen Kostümen dreht. Plötzlich kommt Bollywood in die Schweiz, und Anna betrachtet die Szene verwundert.
Es ist, als ob der Regisseur uns Zuschauern eine Verschnaufpause gönnen wollte. Zu dieser Vermutung passt auch der Chor, der hin und wieder vor malerischer Kulisse die Handlung kommentiert, einmal mit der Bach-Kantate »Komm süßer Tod«. Mit diesem Stilmittel verschafften schon die griechischen Dramatiker ihrem Publikum Distanz zum Geschehen. »Drei Winter«, diese Fabel von Liebe und Tod in Schweizerdeutsch, verlangt vom Publikum viel Einfühlungsvermögen und bleibt gerade deshalb noch lange im Gedächtnis.