Ein Dokument des Widerstands: »Vergiss Meyn nicht« von Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff

Bis heute gilt die Zwangsräumung des Hambacher Forstes als ein Sündenfall in der Energiepolitik. Sollte doch an dieser Stelle Braunkohle, die in ihrer Umweltunverträglichkeit kaum zu schlagen ist, für die Stromversorgung abgebaut werden. An einem im Film recht kümmerlich ausschauenden Waldstück eskalierte 2018 der Protest der »Klimaaktivisten«.

Nachdem für den Braunkohleabbau komplette, intakte Dörfer abgerissen und deren Bewohner umgesiedelt worden waren, was ja als ein schwerwiegender Eingriff in das Leben dieser Menschen angesehen werden muss, der mich persönlich mehr erregt hat, ging es jetzt um ein Waldgebiet. Ein Wald ist eben in Deutschland etwas Besonderes.
Ein probates Mittel, Waldrodungen zu behindern, sind die Baumhäuser, die schon zur erfolglosen Verhinderung der Startbahn West am Frankfurter Flughafen errichtet wurden. Das Leben in luftiger Höhe gibt den Protestierenden ein Gefühl von Freiheit, mit dem der Filmstudent Steffen Meyn zu Tode gestürzt sein dürfte. Er war auf einer morschen Holzbrücke zwischen zwei Baumhäusern unterwegs, als es passierte. Nur seine 360-Grad-Helmkamera filmte weiter. Der Film beginnt damit, dass sie von Polizisten aufgehoben wird.
Es ist eine eindrückliche Szene, die sofort an das Mitgefühl von uns Zuschauern appelliert. Denn das Unterfangen, das Material, das der
verunglückte Meyn aufgenommen hatte, zu einem Dokumentarfilm zusammenzuschneiden, steht unter einem gewissen Sensationsverdacht.
So haben Meyns drei Kollegen den Aufnahmen von dessen ziemlich unbedarften Ausflügen ins Krisengebiet (er fühlte sich ja als Beobachter und natürlich im Recht) spätere Interviews mit den Protestierenden hinzugefügt. Wenn man einmal von deren nerviger Revolutionssehnsucht absieht und von den Klagen über einen Unterdrückungsstaat, die von Leuten kommen, die offenbar noch nie in einem solchen gelebt haben, werden beachtenswerte Sätze über die Grenzen von Gewalt und politischem Engagement geäußert. Wie weit darf man im Kampf um eine gerechte Sache, in diesem Fall um den Naturschutz, gehen, auf welchen Wegen, und was bedeutet dies für die eigene Biografie?
»Vergiss Meyn nicht«, dieses Dokument des Widerstands, gibt durch persönliche Erinnerungen einen tiefen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Aktivistinnen und Aktivisten, denen 2021 vom Verwaltungsgericht Köln bestätigt wurde, dass die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst rechtswidrig war.

Claus Wecker / Foto: © W-Film
>> TRAILER
VERGISS MEYN NICHT
von Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl, Jens Mühlhoff, D 2023, 102 Min.
Dokumentarfilm / Start: 21.09.2023

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