Ein hessischer Pionier: »Oskar Fischinger – Musik für die Augen« von Harald Pulch & Ralf Ott

Man kann sich gut vorstellen, dass es zwischen Oskar und Elfriede gefunkt hat, als die junge Cousine aus Gelnhausen losgeschickt wurde, um für die Familie zu erkunden, was ihr Cousin in der Fremde so treibe. Ein apartes junges Fräulein, das nicht auf den Kopf gefallen schien und das Oskar schon als kleines Mädchen gekannt hatte, und der um zehn Jahr ältere, im Jahr 1900 Geborene, der auf den im Film gezeigten Fotos immer etwas Jungenhaftes, ja geradezu Spitzbübisches besaß.Sie passten sofort zusammen.

Als der Regisseur und Produzent Harald Pulch Elfriede Fischinger 1993 in Los Angeles besuchte, hatte er sich schon intensiv mit den frühen Jahren der Filmgeschichte beschäftigt. Er hatte TV-Dokus über die Brüder Lumière, über den Werbefilm der 20er Jahre, einen Zweiteiler über die Geschichte des Farbfilms und einiges mehr produziert. Er wusste also – und das sieht man dem Film auch an –, wovon die auskunftfreudige Frau Fischinger sprach, als sie die Stationen ihres Lebens mit ihrem Mann anschaulich schilderte.
Einfach dürfte es nicht gewesen sein, denn Fischinger entwickelte sich auf seinem Lebensweg von Frankfurt, München, Berlin bis nach Hollywood zum Workaholic. In Berlin galt er als »Zauberer von der Friedrichstraße«, weil er Spezialeffekte wie den Raketenstart in Fritz Langs Stummfilm »Frau im Mond« auf die Leinwand zauberte. Doch in Hollywood wurde er wegen seiner musikalischen Reklame- und Avantgarde-Filme 1936 von Paramount unter Vertrag genommen.
Die Umsiedelung in die USA empfahl sich, weil es wegen der eigenmächtigen Ausfuhr einer Kopie zum Festival von Venedig Ärger mit den Nazis gegeben hatte. »Komposition in Blau« gewann auch noch einen Preis. Die Nazis hatten nach der populären Muratti-Werbung, für die die Leute sogar extra ins Kino gingen, gar nicht bemerkt, dass Fischinger »entartete Kunst« schuf. Denn die abstrakten Figuren, die sich im Takt der Musik bewegten, entsprachen so gar nicht ihrem Kunstverständnis.
Dennoch erstaunt es schon etwas, wie modern und mitreißend auch heute noch Fischingers Anfänge vor allem in Schwarzweiß wirken. Diese und viele spätere Werke haben nun Harald Pulch und Ralf Ott mit viel Fingerspitzengefühl in die ausgesprochen unterhaltsamen Ausführungen Elfriede Fischingers eingefügt, die sich noch immer ihren Gelnhäuser Akzent erhalten hatte. Der so entstandene Film ist ein äußerst gelungener Beitrag zur hessischen Filmgeschichte – aus einer Zeit, als in mühevoller Handarbeit hergestellt wurde, was heute Computer hervorbringen. Umso faszinierender ist das Werk dieses Vorläufers der Musik-Videos. Fischinger hat sich selbst im Alter immer mehr der Malerei gewidmet, weil er den kommerziellen Druck Hollywoods und den technischen Aufwand der Filmarbeit schlicht und einfach satt hatte.

Claus Wecker
OSKAR FISCHINGER – MUSIK FÜR DIE AUGEN
von Harald Pulch, D 2022, 90 Min.
Dokumentarfilm / Start: 21.09.2023

 

Für die Frankfurt-Premiere im Deutschen Filmmuseum verlosen wir 2 × 2 Tickets.

Mittwoch, 20. September 2023, 19.30 Uhr, Kino des DFF
Moderation: Julia Finkernagel
Im Rahmen des Hessischen Dokumentarfilmtags 2023 / LETsDOK

Schreiben Sie uns eine E-Mail an verlosungen@strandgut.de mit dem Kennwort: Oskar Fischinger.

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