Seit Jahrzehnten gehört er zu meinen Lieblingsschauspielern. Mit seinen Filmfiguren habe ich mich gefreut und gelitten. Die Filme, besonders diejenigen, in denen John Ford Regie führte, sind für mich bis heute der Goldstandard des Kinos. Informationen über einen Künstler, den man verehrt, kann man ja nie genug bekommen, und deshalb ist ein dreistündiger Dokumentarfilm, der Henry Fonda und seinem Werk gewidmet ist, für mich auch keine Minute zu lang.
Allein die vielen Filmausschnitte machen diese Dokumentation des Österreichers Alexander Horwath zu einem freudigen Wiedersehen. Mit ihnen vermittelt er ein differenziertes Bild von einem Schauspieler, der nicht wie ein Meister seines Fachs wirken wollte, sondern den Zuschauern den Eindruck zu vermitteln versuchte, dass da auf der Leinwand oder der Bühne die betreffende Figur tatsächlich anwesend ist.
Fonda hat aus seinem Inneren heraus seine Rollen gestaltet. So wurde er in »Young Mr. Lincoln« jener schlaksige junge Lincoln, der an das Gesetz glaubt, deshalb Jura studiert und mit seinem glaubwürdigen Auftreten auch Präsident wird. Und in »My Darling Clementeine« (Faustrecht der Freiheit) war er als Wyatt Earpp ein Hüter des Gesetzes, der im Notfall auch hart durchgriff. Dabei war er sich immer bewusst, dass es auch andere Sichtweisen gab. Ein Gegenentwurf zu John Wayne, der nicht nur auf der Leinwand überzeugt war, auf der richtigen Seite zu stehen und dafür hart kämpfen zu müssen.
Dennoch sah Ford auch die Starre, die Fonda nicht nur in seiner körperlichen Haltung zeigte, und besetzte ihn in »Fort Apache« (Bis zum letzten Mann, 1948) als gnadenlosen Lieutenant Colonel, der die Indianer für Untermenschen hielt, und Wayne als den menschlichen Captain. In der Rolle konnte Fonda die dunkle Seite in einer Führungsfigur darstellen, doch erst 1968 wechselte er in »Once Upon the Time in the West« (Spiel mir das Lied vom Tod) in das Lager der Bösen. Den Regisseur Sergio Leone lobt er in dem letzten Interview, das er noch ein Jahr vor seinem Tod am 12. August 1981 gab, für dessen Ideen für die Ausgestaltung seiner Rolle.
Horwarth, der auch vom persönlichen Zugang zu Fondas Filmen berichtet, verwebt die Geschichte der USA und dazu politisch-ästhetische Bemerkungen mit Fondas Biographie, die er mit wenig bekannten Informationen anreichert. Zum Beispiel, dass die Familie aus den Niederlanden nach Amerika kam und dass er einen seiner Vorfahren in dem Film »Drums Along the Mohawk« (Trommeln am Mohawk) selbst darstellt. In diesem Film findet man eine Zusammenfassung der amerikanischen Geschichte, die aus Hoffnungen und Enttäuschungen besteht. Denn wie ein Fluch liegt die Vertreibung und Vernichtung der Eingeborenen auf ihr. Ein Fluch, der aus der Landnahme ein Gottesgeschenk gemacht hat.
Aber Fonda for President? Er war beliebt, mit seinem Engagement für die Demokraten auch ein politischer Mensch, und er ist tatsächlich einmal als Gast in einer Sitcom aufgetaucht und zum Präsidentschaftskandidaten gekürt worden – was er sogleich abgelehnt hat. Und er war in Sydney Lumets Kaltem-Kriegs-Drama »Fail-Safe« (Angriffsziel Moskau) ein Präsident in einer extrem beklemmenden Situation. Dort macht er den Sowjets ein Angebot: Für den nicht zu verhindernden atomaren Angriff auf Moskau bietet er die Zerstörung New Yorks an, um den totalen Krieg zu vermeiden. Die Mahnung, die bei der Besichtigung der einstigen Kommandozentrale nicht mehr aktuell genannt wird, ist leider erneut aktuell geworden.
Vieles könnte hier noch angefügt werden: Etwa das Verhältnis zu seinen Kindern Jane und Peter und die traurige Geschichte von deren Mutter oder die Theaterkarriere, die ihm viel bedeutete und den Ausschlag für seine Filmkarriere gab. Am Ende hat Fonda über sich gesagt, er glaube nicht, dass er gute Antworten zu irgendetwas habe. Immer wundervolle Leute zu spielen sei eine gute Therapie für jemanden, der sich selbst nicht mag.