Ein Nonnenproppen – English Theatre rockt das Zootheater mit dem Kloster-Musical »Nunsense«

Nein, es gehört trotz seines Titels nicht zum Musical »Nunsense« im ehemaligen Fritz-Rémond-Theater, dass die Besucher auf einem Schilderwald rund um die Zugangstreppe mit Fragen wie »Bist du doof?« oder »Hast du eine Gurke?« empfangen werden. Das English Theatre Frankfurt ist in den zum Testlabor (Junge Theaterwerkstatt) eines zukünftigen städtischen Kinder- und Jugendtheaters erklärten Räumen des Zootheaters einerseits zwar der Gastgeber, andererseits aber selbst nur ein eher geduldeter Gast im Asyl, so der Eindruck. Der herzliche und anhaltende Applaus, den Intendant Daniel Nicolai bei seiner Begrüßung für die Nachricht erhielt, dass die Arbeiten am Gallileo-Haus wie auch die ersehnte Rückkehr in die Stammspielstätte in diesem September im Plan verliefen, spricht dafür, dass auch das treue Publikum den Eindruck des Chronisten teilt.
Willkommen geht jedenfalls anders. Etwa so, wie es die »Little Sisters of Hoboken« in New Jersey mit ihrem Spalier beim Eintritt und der den ganzen Saal einspannenden Begrüßung der Mother Superior Mary Regina (Julie Paton) zelebrieren. Letzteres gehört indes schon zum Stück, das von einem anstehenden Benefizabend im Kloster zur feierlichen Beisetzung von vier Schwestern erzählt. Diese sind zusammen sage und schreibe 48 weiteren Mitnonnen an einer Lebensmittelvergiftung (Botulismus) verstorben, nur reichte beim Großbegräbnis das Geld in der Klosterkasse nicht ganz für alle. Das »last supper«, wie es die Mutter Oberin süffisant erklärt, hat der himmlischen Heerschar Schwester Julia, die Klosterköchin, mit einer Kartoffel-Lauch-Suppe (»Vichysoise«) serviert. Ein Versehen, versteht sich.
Die Idee, die fehlenden Funeral-Gelder durch ein Varieté in der Aula der örtlichen Schule einzutreiben, weckt insbesondere die Talente der fünf überlebenden, sonst aber nicht weiter traurigen Schwestern, die sich bei der Vorbereitung der Schau nun gegenseitig zu überbieten suchen auf der mit einer kleinen Küche, der Papplimousine aus einer Schüleraufführung von »Grease« und einer Unmenge sportlichen Zubehörs zugepfropften Bühne von Sophia Pardon.
So weit, so kirre, makaber, aber auch so schlicht ist die Handlung des 1985 uraufgeführten Musicals von Dan Goggin (Text und Musik), dessen Erfolg (38 Wochen am Broadway) das bei uns dank Whoopie Goldberg bekanntere »Sister Act« nach sich zog. Schon »Nunsense« wurde Kult in den USA und verfilmt – und stand in den 90ern, wie das empfehlenswerte Portal »kulturfreak.de« weiß, auch bei uns unter dem Titel »Non(n)sens« im Hanauer Culture Club auf dem Spielplan.
Schräg und schrill, Schlag auf Schlag mit nie nachlassendem Witz und ohne jede Scheu vor Klamauk demonstriert die Exilbühne des ETF unter Leitung von Regisseur Ewan Jones einmal mehr die Güte des schier unerschöpflichen Talentbrunnens der Londoner Künstlerszene.
Auch wenn es zu konzedieren gilt, dass Nonnen sich normalerweise weder die Fingernägel färben und dicke Schminke auflegen wie Michaela Sterns (Soul-)Sister Mary Hubert, noch sich an Schnüffeldrogen versuchen wie Mutter Oberst, so kompensieren ihre famosen Song-, Tanz- und Steppeinlagen diesen säkularen Makel doch mühelos.
Zur Musik der Live-Band von Mal Hall präsentieren die Bräute Christi mit Gospel-, Country-, Soul- und sogar Ballett-Einlagen auf Spitzen, wie Lulu Tucker‘s Novizin Mary Leo, die mit Engelsstimme bekennt, dass sie gerne eine Primadonna wäre, während sich ihre Sister Mary Robert Anne (Millie Gmaj) ganz einfach ein Star zu sein wünscht. Ein Geschenk des Himmels, wenn nicht ein Wunder indes ist, dass sich Kate Powells Sister Mary Amnesia (!) wieder ihrer wunderbaren Gaben zu erinnern vermag, zu denen ihrer Stimmgewalt und einem doppelzüngigen Duett mit Puppe auch die Koloratur der Königin der Nacht zählt – ansatzweise jedenfalls. Nachdem ihr ein Kruzifix auf den Kopf gestürzt war, hatte die gute Amnesia ihre künstlerische Vergangenheit schlichtweg vergessen! Mit im Spiel als tanzende Technikerinnen Barb und Dusty sind Nicola Sneddon und Amelia Rose. Seinen ganz speziellen Auftritt hat schließlich auch das tiefgefrorene Leichenquartett aus dem Nonnenklosterkeller, wenn es wegen einer angesagten amtlichen Hygienekontrolle in Sicherheit gebracht werden muss.
Sie lassen einfach nichts aus im Zootheater, und tun sehr gut daran, wie das begeisterte Publikum mit großem Applaus bestätigt. Zu sehen ist dieser Nonnenproppen bis zum 20. Februar. Das noch nicht öffentlich gemachte Folgestück wird im April wieder bei Michael Quast im Cantatesaal der Volksbühne im Großen Hirschgraben steigen, wo das English Theatre bereits mit »The Wasp« gastierte.

Winnie Geipert / Foto: © Kaufhold
Bis 20. Februar: Di.–Sa., 19.30 Uhr; So., 18 Uhr
www.english-theatre.de

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