Es gibt zwei Arten der Geschichtsschreibung. Die eine erzählt von Königen und mächtigen Herrschern und von großen politischen Ereignissen. Die andere spielt sich im Verborgenen ab, ihre Geschehnisse wurden in mündlicher Form weitergegeben, in Zeitungen und Zeitschriften sowie heutzutage im Internet. Ihre Helden drohen in Vergessenheit zu geraten, es sei denn, ein weithin beachteter Chronist nimmt sich ihrer an – wie etwa der große Filmerzähler Terrence Malick.
In seinem neuen Werk widmet sich der Spezialist für Americana erstmals einer Geschichte aus Österreich. Er hat sich einen neuen, europäischen Schauplatz gesucht, und schon nach wenigen Minuten wird klar, warum er das getan hat. Malick ist nämlich ein christlicher Filmemacher, und der seliggesprochene Franz Jägerstätter ist so recht eine Figur, die zu Reflexionen über die Grundlagen der menschlichen Existenz anregt.
Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges hat Jägerstätter bei seiner Einberufung in die Reichswehr den Eid auf Adolf Hitler verweigert. Und er ist standhaft geblieben, alles Zureden vom Pfarrer und von seiner Ehefrau hat ihn nicht von seinem Entschluss abbringen können. Er blieb bis zu seiner Hinrichtung wegen Wehrkraftzersetzung standhaft.
Natürlich ist so eine konsequente Haltung nur auf dem Fundament einer Überzeugung möglich. In Malicks Film ist es der christliche Glaube, der Jägerstätter auch den geringsten Kompromiss verbietet. Mit ihm wird Jägerstätter zu einer Passionsfigur wie etwa die Protagonisten in einem Bresson-Film.
Nur, was bei Robert Bresson europäisch zurückhaltend, mit großer stilistischer Distanz vorgetragen wird, ist bei Terence Malick pompöses Kino, amerikanisch eben oder zumindest so, wie man sich amerikanisches Kino vorstellt. Mit musikalischer Untermalung und Bildern, die auf den Schauwert hin komponiert sind.
Das beginnt bereits mit der Schilderung des »einfachen Landlebens« von Franz Jägerstätter (August Diehl) und seiner Frau Fani (Valerie Pachner). Der Film erfasst die Persönlichkeit Franz Jägerstätter, der nicht nur Bauer war, sondern auch Küster in der Dorfkirche. Und mit den Schauplätzen ist man möglichst nah an den Originalen geblieben.
Jörg Widmer hat Emmanuel Lubezki als Chefkameramann ersetzt. Widmer, der als Steadicam Operator bei Malicks letzten Filmen dabei war und in dieser Funktion auf eine lange Liste von Filmen zurückblicken kann, führt eine bewegliche Kamera, die nah an die Menschen herangeht. Ihm gelingen sehr persönliche Bilder, wie wir sie aus Träumen kennen. Und die Musik von James Newton Howard korrespondiert mit der sakralen Musik, die dem Film die Feierlichkeit eines Gottesdienstes verleiht.
»Ein verborgenes Leben« ist ein ganz ungewöhnlicher Film über das Dritte Reich, über die Gewalt, die in den Alltag der Menschen eingebrochen ist (ein Malick-Thema), und über einen Mann, der zum Märtyrer wurde.