Allein die Entstehungsgeschichte von »Megalopolis« könnte den Stoff für einen Film liefern. 40 Jahre habe Coppola von diesem Werk geträumt, heißt es. Die Vorbereitungen seien durch die Anschläge 9/11 unterbrochen worden, 120 Millionen Dollar habe Coppolas eigene Produktionsgesellschaft American Zoetrope aufbringen müssen. Dafür habe er sogar sein Weingut verkauft.
Wir haben es also mit einem Autorenfilm zu tun, der mit dem technischen Aufwand einer größeren Produktion hergestellt wurde. Hollywood erwartet in so einem Fall passable Einspielergebnisse, Coppola vermutlich einen Eintrag in die Filmgeschichte.
Um die Bedeutung seines Films zu unterstreichen, nennt er ihn eine Fabel, also eine Erzählung mit belehrender Absicht. Fabeln handeln in der Regel von menschlich agierenden Tieren, bei Coppola sind es menschliche Mischwesen aus Antike und dem 20. Jahrhundert, die Namen tragen wie Cesar Catilina, Mayor Cicero und Julia Cicero.
Sie leben in einem New York, das dem Untergang geweiht ist. Darauf weisen der Kommentar und die im antiken Stil gehaltenen Texttafeln hin. Wie einst das römische wird auch das amerikanische Reich untergehen. Und um das zu zeigen, hat Coppola aus der Stadt der Wolkenkratzer das New Rome gemacht. Er hat gewissermaßen seinen klassischen Bildungshintergrund auf ein New York im Stil des Art déco gelegt. (Das moderne New York war ihm wohl zu nüchtern und für seine auftrumpfende Bilderwelt ungeeignet.)
Coppola versucht uns mit einer Flut von erlesenen Bildern zu überwältigen. Er setzt auf seine Autorität. Irrlichternde Handkamera und verwackelnde Bilder sind von einem Vermächtnis des Regisseurs von »Der Pate« und »Apocalypse Now« nicht zu erwarten. Und als ein solches muss »Megalopolis« angesehen werden.
Der Film ist in die Vergangenheit und in die Zukunft gewandt. Da ist zunächst die Frage, wie ein Reich untergeht. Nicht in einem Moment, sondern es komme eine Zeit, wenn die Leute nicht mehr an das Imperium glauben. Denn Korruption, Gier und Vergnügungssucht haben die Fundamente ausgehöhlt. (Man kann an die »spätrömische Dekadenz« denken, von der Westerwelle gesprochen hat.) In diesem Zusammenhang kommt es zu einem gelungenen Gag: Eine steinerne Justitia lässt erschöpft die Waage sinken.
Daneben wartet der Film mit Science-fiction-Elementen auf. Der von Adam Driver gespielte Cesar Catilina besitzt die Fähigkeit, die Zeit anzuhalten, was Coppola zu einem spektakulären Intro mit gestopptem Todessprung nutzt. Er scheint auch ein optimistischere Perspektive zu verkörpern. Als Architekt beabsichtigt er neue Bauwerke für die City of New Rome. Er ist verliebt in Julia Cicero (Nathalie Emmanuel), die Tochter des Bürgermeisters Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito), der die Realisierung der Baupläne zu verhindern sucht.
Doch schon das Wort »scheint« deutet daraufhin, dass die Handlung auf tönernen Füßen steht. Kaum eine Aussage wird konsistent verfolgt, vieles bleibt Stückwerk oder wirkt wie ein Traum. Etwa Cesar Catilinas Beziehung zur hübschen Moderatorin Wow Platinum (Aubrey Plaza), die sich bemüht, ihn an sich zu binden.
Starauftritte wie der des gealterten Dustin Hoffman trösten auch nicht darüber hinweg, dass »Megalopolis« heillos überfrachtet ist und sich über zweieinviertel Stunden hinzieht. Eine Möglichkeit, den Film zu schätzen, besteht darin, zurückzutreten und ihn aus einer gewissen Distanz zu betrachten. Als ein überdrehtes Kunstwerk, das Susan Sontag »camp« genannt hätte. Doch spätestens nach 90 Minuten wollte ich frei nach Ciceros historischer Rede ausrufen: »Wie lange noch, Coppola, wirst du unsere Geduld missbrauchen?«