Angekommen – doch keineswegs um zu bleiben, ist das English Theatre Frankfurt nach seiner Vertreibung aus dem in Renovierung befindlichen Gallileo-Tower downtown in den gar nicht so weit entfernten Räumen des guten alten Fritz-Rémond-Theaters am Zoo. Anderthalb Jahre soll der Ausflug dauern, toi, toi, toi allen, dass dem auch so wird. So kuschelig, rotbesamtet und clubby, wie man es im Bahnhofsviertel gewohnt war, ist es im Seitenflügel des Zoo-Gesellschaftshauses noch nicht. Am augenfälligsten für solche, die das neue Haus noch nicht kennen, ist das ebene Zuschauerparkett. Doch, wenn man nicht gerade die Frankfurt-Skyliners in Mannschaftsstärke vor sich sitzen hat, ist das auch kein Problem. Vor allem, und jetzt kommen wir zur Sache, wenn das, was on stage geschieht, so überrascht und fesselt ist wie das zur Eröffnung im Off gespielte Stück »Sylvia«.
Dass ein Tier im Zentrum dieser Komödie steht, passt zwar zur neuen Location, könnte aber skeptisch machen, handelt es sich doch bei der Titelfigur um eine von einer Frau zu verkörpernde sprechende Hündin. Genau das aber, so viel sei vorausgeschickt, gelingt der Frankfurter Inszenierung von Bethany Pitts dank der brillierenden Schauspielerin Louisa Beadel nachgerade glaubhaft. Und bestimmt auch dank des Wirkens von Christine Fulcher in der Funktion des Intimacy Director. Was es alles gibt!
Nun aber zurück zum Stück, das Albert Ramsdell Gurney vor fast 30 Jahren schrieb, das aber erst zum Broadwayerfolg wurde als Sex-in-the-City-Star Sarah Jessica Parker dafür gewonnen werden konnte. Den Vergleich mit ihr muss dem Trailer im Internet zufolge Beadel gewiss nicht scheuen.
Und darum geht es: Dem Midlife-Crisis-Man Greg läuft in einem Park ein Hund namens »Sylvia« zu, der zur großen Herausforderung für seine nach 20 Jahren leer gelaufene Ehe mit der beruflich gerade durchstartenden Dozentin Kate wird. In der Rolle des intellektuell eher tapsigen, von der Digitalisierung der Arbeitswelt sich beruflich entwertet fühlenden Greg, gefällt Gary Fannin umso mehr als er optisch, öfter aber auch im Benimm an Al Bundy aus »Eine schreckliche Familie« erinnert. Sylvia, die er hegt und pflegt und die sich auch im Outfit immer stärker anpasst, wird ihm alles. Und Kate immer weniger. Doch so sehr man versteht, dass die von Mercedes Bahleda taff in Szene gesetzte Gattin allmählich um den Verstand ihres Mannes bangt und ihn vor die Entscheidung stellt: Ich oder sie – Sympathie gewinnt sie dadurch nicht. Eine Art Steigbügel für interpretatorische Ansätze des irren Geschehens sind die von Alex Murdoch verkörperten Figuren des Hundebesitzers Tom im Park, einer/s genderfluiden PsychologeIn und der Gesellschafterin Leslie gedacht. Doch kommt man auch ohne Kenntnis von »Herr und Hund« oder »Tobias Mindernickel« aus.
Einzig das Plädoyer Gregs für eine Verfassungsänderung hätte niemand vermisst, wäre es gestrichen. Ansonsten ist »Sylvia« eine Komödie, eine Komödie, eine Komödie – und Boulevard vom Feinsten.