»Fast perfekte Weihnachten« von Clément Michel

Zwei einsame alte Damen dienen in diesem Weihnachtsfilm als Ersatz für die kurzfristig verhinderten Kinder. Die nicht ganz so pflegeleichten Seniorinnen bringen frischen Wind in das Leben des Gastgebers und seiner Frau, die auch nicht mehr die Jüngsten sind. Eine Generationenkomödie mit boshaftem Witz und bittersüßen Lektionen, sehr französisch.

Ja, ist denn schon wieder Weihnachten? Was bei dem einen wegen des Vorbereitungsstresses Gänsehaut erzeugt, ist dem anderen eine willkommene Mission. Ruheständler Vincent ist seit jeher ein Weihnachtsfan und freut sich darauf, zum Fest die ganze Familie zu versammeln. Mit Hingabe widmet er sich dem Tischschmuck, geschäftig läuft er durchs Haus, eher ungnädig beobachtet von Ehefrau Beatrice, die, eine Kunstlehrerin, lieber Blumenbilder malt, statt sich in weihnachtliche Aktivitäten zu stürzen. Dann sagen die erwachsenen Kinder und Enkel kurzfristig ab. Tief enttäuscht stellt Vincent die Tanne vor die Haustür und versenkt den Truthahn in der Gefriertruhe. Doch so leicht lässt er sich nicht entmutigen. Angeregt durch die Predigt beim Gottesdienst, will er eine gute Tat vollbringen, indem er einen einsamen alten Menschen einlädt. Nach einem Spießrutenlauf durch die Altersheime wird ihm schließlich Monique, eine zarte alte Dame, offeriert. Weil sie aber nicht ohne ihre Busenfreundin Jeanne feiern will, sitzen schließlich beide in Vincents Wohnzimmer. Und die bärbeißige Jeanne, die, oh Schreck, Jahrzehnte im Gefängnis verbrachte – als Wärterin – ist von einem anderen Kaliber als die schüchterne Monique.
Diese Komödie würde in großen Teilen auch als Kammerspiel funktionieren. Zwar verzichtet Regisseur Clement Michel, ein erfahrener Theaterautor und -regisseur, nicht auf burleske Krachmacherei. Doch materielle Schäden halten sich bei dieser Bescherung in Grenzen: hie ein Feuerchen, dort eine Ruhestörung. Die Stärke des Films liegt in seinen Dialogen, in denen zwischen Apéritif und Diner mit geschliffener Bosheit Themen angetippt werden, bei denen sonst taktvolles Schweigen angebracht ist. Nicht nur die Wertigkeit von Geschenken und Deko und die Qualität des Essens reizen die Seniorinnen zu spitzen Bemerkungen. Während Vincent die Stimmung zu retten versucht, braucht die passiv-aggressive Beatrice nach einer Schätzung ihres Alters viele Zigaretten, um sich zu beruhigen.
So werden, mal mit feinem Witz, mal mit schwarzem Humor die Narrenfreiheit, die tüdelige alte Menschen genießen, die Peinlichkeiten im Umgang mit Gebrechen, aber auch das entmündigende Verhalten ihrer Betreuer aufgespießt.
Jenseits des höflichen Schlagabtauschs entpuppt sich die Komödie als tiefenscharfer Generationenkonflikt, in dem mittelalte Menschen, die sich nicht alt fühlen, von sehr alten Menschen, die den Tod vor Augen haben, einen Spiegel vorgehalten bekommen. In dieser traurig-weisen Perspektive sind die Kümmernisse, die das Ehepaar unterschwellig beschäftigen, bloße Zeitverschwendung. Wie so oft in französischen Filmen werden dem Publikum diese bittersüßen Lektionen mit leichtfüßiger Eleganz statt mit erhobenem Zeigefinger serviert. Joyeux noël!

Birgit Roschy / Foto: © Splendid Film
>>> TRAILER
FAST PERFEKTE WEIHNACHTEN (Noël Joyeux)
von Clément Michel, F 2023, 97 Min.
mit Franck Dubosc, Emmanuelle Devos, Danièle Lebrun, Danielle Fichaud, Dominique Frot, Axel Auriant
Komödie
Start: 07.12.2023

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert