FAT: Kirmesatmosphäre für den Thomas Kurzes »Der Rummelboxer«

Rotweiße Absperrbanden grenzen die Sitztribüne der FAT-Spielstätte in der Brotfabrik aus, man steht wo sonst gespielt wird, oder sitzt auf dem Boden, einer Bank, in der Hocke. Erst fünf, dann acht, am Ende werden es um die 30 Leute sein, die den »Rummelplatz« bevölkern, auf dem sich ein kantiger Typ mit Kapuzenjacke herumtreibt, mal grüßt, mal was sagt, immer nur kurz, stonewashed sieht er aus, hoch in die 40-aufwärts.
Neben dem Zugang zur Theaterküche gibt es Bier in Stupsflaschen (2 €) und Brausetütchen Marke Waldmeister (1 €) mit Leitungswasser im Glas, Claptons »Layla«, Jimis »Watchtower«, die Stones scheppern im Raum – Dorfatmo Sixties: »I can get no!« singt, singt?, shoutet es aus einer Ecke. derweil noch immer Leute eintrudeln.
Es ist die große blonde Frau mit den dicken gestreiften Wollsocken im viel zu großen Männerjackett, die man da hört, nur halb so alt aber doppelt so da, doppelt so präsent wie er, der gleich den »Rummelboxer« geben wird. Adrian Scherschel, Schauspieler, Co-Leiter des FAT und als »beatnik« der Regisseur dieses knapp einstündigen von Autor Thomas Kurze entwickelten Stücks, besser: der Performance.
Dann aber folgt ein kleines Sprechstakkato – »Das ist die Ouvertüre« – bei dem AnnaOku, wie sie hier heißt, schon mal deutlich macht, über was für eine mächtige Stimme sie verfügt. Es wird auch eine prächtige sein, Anna Okunowski ist auch Mitglied des Jungen Staatstheaters Wiesbaden, wo sie aktuell als Mutter Oberin in »Sister Act« (siehe Seite 33). zu erleben ist.
Hier aber hat der Kapuzenmann das Wort, will seine Geschichte erzählen, will sagen, wie es dazu kam, dass er zu einem wurde, der sich mit Prügeln und mit Sich-prügeln-lassen durch das Leben schlägt. Böse Kindheit hatte der Emil Balthazar, heute EB genannt, ein Loser, der immer nur auf die Mütze bekam. Aber er sagt auch, dass er all diese Erklärungen heute nur noch für »Mumpitz« hält – wird philosophisch, existenzialistisch, sieht Auf-die-Mütze-kriegen gar als Berufung. Um ihn stets herum, mal unterstützend, mal ihm in die Quere kommend, grätscht immer wieder die Namenlose, meist verbal, aber auch mal singend mit Akkordeon.
Man denkt unweigerlich an Zampano und Gelsomina, nur jeweils mit einem Anti- davor, nicht nur im Erscheinungsbild. EB ist kein Kettensprenger, und sie weiß sich zu wehren. Zusammen gestalten sie einen bisweilen spritzig bunten, abwechslungsreichen Abend, mit fetzigen Songs im Stile der Dreigroschenoper und einem veritablen Boxkampf (Freiwillige gesucht) als Höhepunkt. Irgendwas zwischen Stallone, (das Leben ist ein Kampf), Liza (Life Is A Cabaret) und Shakespeare (das Leben ist eine Bühne) nehmen wir als Essenz mit auf den Weg. Und die Frage, ob es nun tief oder doch nur trübe gewesen ist, was man gerade erlebte. Ein ungewöhnliches, ein mutiges Stück, dem unbedingt immer eine gute Kulisse zu wünschen ist, damit es so funktioniert wie bei der bejubelten Premiere.

Winnie Geipert / Foto: © Reinhold Schultheiß
Termine:
21., 29. April, 20 Uhr; 23., 28. April, 18 Uhr
www.fat-web.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert