»Tout Paris«, so weiß es Michael Quast, lag anno 1867 der Großherzogin von Gerolstein zu Füßen. Und alle Türen standen ihr offen, so der Leiter der Frankfurter Volksbühne weiter, speziell die zur Weltausstellung, wo »La Grand Duchesse de Gerolstein« selbstverständlich den Eingang nutzte, der den gekrönten Häuptern dieser Welt vorbehalten waren. So populär wie Jaques Offenbachs im Théâtre des Variétés uraufgeführte Operette war auch die mit der Titelrolle betraute Aktrice Hortense Schneider in Paris. Nicht so gut kam das Werk am Hofstaat in Preußen und bei Bismarck an, überzog es doch Deutschlands Kleinstaaterei samt seinem gewiss auch den Franzosen nicht fremden Militarismus mit bissigem Spott, den man in Berlin bekanntlich nicht lange auf sich sitzen ließ.
Die Meisterlibrettisten Henry Meilhac und Ludovic Halévy kreierten in ihrer Satire eine kleingeistige Welt der politischen Intrigen, Machtspiele und Karrieren, die diese Opera Buffa auch jenseits ihrer unsterblichen Melodien weit über ihre Zeit hinaushebt. Speziell die von der rauschhaften Musik Offenbachs getragene Karikierung der allseitigen Kriegsbegeisterung verleiht dem Stück nicht nur im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg eine seherische Note. Und eine Qualität, die dem Ensemble heute als eine spannende und willkommene Herausforderung begegnet. Gerade deshalb hat Michael Quast mit Rainer Dachselt die eher seichten alten Übersetzungen durch eine heutige Lesart ersetzt, mit deren Finesse und Witz der Intendant zugleich die gesanglichen Gaps seiner überwiegend erstmals im Operettengenre aktiven Truppe auszubalancieren hofft. Schließlich sei »Die Großherzogin von Gerolstein« vor allem eine wunderbare Komödie, in der eine Frau aus Liebes- und andern Gründen die so selbstherrliche Männerwelt aufmischt und auch mal einen Krieg auslöst, weil ihr grad danach ist.
Für die Frankfurter Volksbühne gehört die »Großherzogin« mit insgesamt 15 Künstlern auf der Bühne zu den aufwendigsten Produktionen ihrer Geschichte. »Wir lassen es krachen«, so schwört Michael Quast das Premierenpublikum auf den führend von der Dr. Marschner Stiftung ermöglichten Kraftakt vor einem durchaus ernsten Hintergrund ein. Die Zeit der Krisen, die der Intendant dabei konstatiert, schließt wohl auch das Theater im Cantatesaal selbst mit ein. »Mit Karacho in den Abgrund oder hinauf zu den Sternen«, so seine Losung für ein Hammerstück, das die Volksbühne endlich im Zentrum der Stadt landen lassen soll.
Neun, dem Frankfurter Publikum weithin vertraute Darsteller teilen sich unter der Regie von Sarah Groß und Michael Quast in fantastischen Kostümen von Christian Robert Müller auf der Bühne von Corina Krisztian die Rollen. Darunter Sam Michelson, der als gemeiner, aber attraktiver Soldat Fritz (!), Objekt und Opfer hoheitlicher Begierde wird und am glimpflichen Ende mit seiner Wanda (Isabel Berghout) nach San Pellegrino migriert. Michael Quast spielt den, der dann tatsächlich Gatte der Großherzogin wird: den weidlich unterbelichteten Prinz Paul zu Schorf und Schärenstein. Überdies mit dabei sind Alexander Beck (General Bumm), Eric Lenke (Baron Grog), Detlev Nyga (Minister Pück), Ulrike Kinbach und Gabriel Spagna als zweistimmiger Chor sowie Susanne Schäfer in der großen Titelrolle. Rhodri Britton hat die große Orchesterversion in eine Fassung für sechs Instrumente (Flöte, Klarinette, Trompete, Saxofon, Cello und Schlagwerk) komprimiert, die der Finesse von Jacques Offenbachs Musik wie auch dem Witz des Librettos weit mehr entgegenkommen sollte, als die Klangkaskaden von Großorchestern.
Den Chronisten hinderte eine schon früh im 1. Akt überfallartig sich seiner bemächtigenden virale Attacke daran, selbiges nachhaltig zu überprüfen. Folgt man den Reaktionen der Frankfurter Presse (FAZ: »Köstlicher Start«, FR: »Wer Operetten liebt, kommt auf seine Kosten. Wer Operetten nicht liebt, kann sie lieben lernen.«) sind die Sterne zum Greifen nah und der Besuch nur zu empfehlen. Mehr davon und mehr dazu im Dezember!