Es geht um – vermuteten – Mord, Tod, Schuld, Rache, Gift und Verrat! Und es geht – auf alle Fälle – abwärts – im Stück wie auf der leicht abgeschrägten Parkettbühne des Bockenheimer Titania, wo die Inszenierung des »Hamlet« von – und nicht nur nach!!! – William Shakespeare durch Bettina Kaminski gegeben wird, in der freilich neueren und großartigen Übersetzung von Angela Schanelec und Jürgen Gosch.
Hamlets Vater ist gestorben, seine Mutter hat dessen Bruder, ihren Schwager also, geheiratet. Ist Hamlet eifersüchtig? Vermutet er einen Mord? Was geht in der Titelgestalt des Dramas vor? Die in den Zuschauerraum geneigte große Spielfläche ist unschuldig weiß und wirkt rutschig (!!), nach oben abgeschlossen durch eine Art Galerie. Mit dem Rücken zum Publikum sind alle sechs Personen des Stücks dort präsent. Eine lang wirkende Eingangssequenz ohne Worte positioniert die Figuren in verschiedenen Situationen und Beziehungen neu zueinander: Claudius, den König von Dänemark (Hans-Peter Schupp) Hamlets Mutter Gertrud, jetzt Königin und Ehefrau von Claudius (Michaela Conrad), den Staatsrat Polonius (Axel Gottschick), dessen Sohn Laertes (Moritz Buch, auch »Rosencrantz«) und – am Bühnenrand positioniert – Polonius Tochter Ophelia (Magali Vogel, auch »Guildenstern«), und natürlich – als Außen-Seiter Hamlet (Ives Pancera).
Kaminskis Inszenierung kommt ohne großen Firlefanz aus: der Geist des vermutlich ermordeten Königs und Vaters spricht aus dem Sohn in einer Art unheimlichen Besessenheit und zum Fürchten glaubhaft im Doppel-Spiel Panceras und muss nicht auch noch figürlich erscheinen; und so wie der Tod aller handelnden Personen sich über Urnen vermittelt, die der Totengräber wegträgt, wird auch die Reise nach England erzählt – symbolisch mit einem aufgespannten Regenschirm. Nur gefochten wird aufwendig, ausführlich und meisterlich (trainiert von Atef Vogel). Und womöglich ganz im Sinne Shakespeares kommt Walter Benjamins »Engel der Geschichte« im weißen Spitzenröckchen angetanzt (Hans-Peter Schupp), blickt »zurück in die Zukunft« und trägt die Urnen in einer Aldi-Einkaufstasche davon.
Die Übersetzung legt uns bekannte Zitate mit neuem Klang nochmal ganz anders nahe: »Euer Sohn ist irre« und nicht mehr »des Wahnsinns«) erklärt Polonius ohne Umschweife und das nur allzu bekannte »to be or not to be« als Reflektion des menschlichen Daseins überhaupt findet seinen genialen Ausdruck in »Was für ein Meisterwerk ist der Mensch!«. Auch wenn der »Rest« jetzt »Schweigen« bleibt: eine wunderbare Re-Animation des fast schon verschollen geglaubten Hamlet: unbedingt hingehen!