Bilder, die man schmecken kann
Essen ist mehr als reine Nahrungsaufnahme, um den Körper in Betrieb zu halten. Selbst diejenigen die regelmäßig Fast Food konsumieren, können dem zustimmen. Und erst recht diejenigen, die sich um gesunde Lebensmittel und Rezepte für schmackhafte Speisen bemühen und Kochsendungen im Fernsehen interessiert verfolgen. Der Film »Geliebte Köchin« erhebt nun das Kochen und Essen exquisiter Speisen zu einer hohen Kunst, bei der das Zuschauen schon zum Erlebnis wird.
Der Film beginnt damit, dass eine Frau in einem Garten das Gemüse für das anstehende Mahl pflückt. In der folgenden halbstündigen Szene kocht die Frau aus dem Garten, assistiert von einem Mann und zwei jungen Mädchen, ein umfangreiches Menü in der geräumigen Küche eines alten Landhauses. Die verschiedenen Gänge werden zum Teil parallel zubereitet. Nach einem unsichtbaren Plan wird Gemüse geschnitten, Fleisch und Fisch verarbeitet, werden Pfannen in den Backofen geschoben und wieder hervorgeholt, wird in Tücher ein- und wieder ausgepackt.
Man bekommt direkt Lust zu kochen, wenn man die wunderbaren Speisen entstehen sieht. Die Kamera folgt fließend den Handlungen, die wie bei einem Ballett aufeinander abgestimmt sind. Man kann die Bilder, die uns der in Vietnam geborene, seit vielen Jahren in Frankreich lebende Regisseur Tran Anh Hung und sein Kameramann Jonathan Ricquebourg nach der Art alter Gemälde vor Augen führen, geradezu schmecken.
Eine weitere Besonderheit ist der ruhige Ton, der in der Küche herrscht. Kein böses Wort fällt trotz der anstrengenden Arbeit. Und weil nach Ansicht des Regisseurs Musik von den Geräuschen, die beim Kochen entstehen, ablenken würde, ist erst am Ende des Films ein Klavierstück zu hören.
Der deutsche Titel deutet es schon an: Der Film handelt auch von einer Liebe. Und die Geschichte geht so: Im Jahr 1885 lebt die Köchin Eugénie (Juliette Binoche) schon seit 20 Jahren im Haus des Gourmets Dodin Bouffant (Benoît Magimel). Beide verbindet ein äußerst empfindliches Geschmacksempfinden, das nach hohen Kochkünsten verlangt, und vor allem auch ein respektvoller Umgang miteinander und mit Freunden.
Die gesellige Runde, die Dodin eingeladen hat, füllt die Zeit zwischen den Gängen mit angeregten Gesprächen über historische Begebenheiten. Es herrscht ein höflicher Ton unter den Herren, die Eugénie einladen, mit ihnen zu speisen, aber als Antwort bekommen, dass ihre Anwesenheit in der Küche bis zum Ende des Menüs zwingend erforderlich sei und »Bei Tisch bin ich schon mit Ihnen im Gespräch durch das, was sie essen«.
Manchmal lässt Eugénie abends die Tür zu ihrem Zimmer unverschlossen und teilt dann ihr Bett mit Dodin. Aber zu einer Heirat hat sie bislang nicht eingewilligt. Sie will lieber seine Köchin als seine Frau sein. Die Ehe sei wie ein Essen, das mit einem Dessert beginnt, heißt es einmal etwas abschätzig. Doch im Herbst ihres Lebens kommt es zur Verlobung, und Dodin will sich an einem chinesischen Poeten ein Beispiel nehmen. Der habe sich abwechselnd ein Jahr dem Kochen und ein Jahr seiner Frau gewidmet.
Anh Hung Tran, der durch »Der Duft der grünen Papaya« und »Cyclo« bekannt geworden ist, hat sich von dem Buch »La vie et la passion de Dodin Bouffant, gourmet« von Marcel Rouff inspirieren lassen. Er habe nach einem Stoff gesucht, bei dem es um das Kochen als Arbeit und als Kunst ging. Zudem habe er eine Möglichkeit gesehen, eine eheliche Beziehung, zumal eine gut gehende, zu schildern.
Die Jury in Cannes konnte im letzten Jahr dem Charme dieses aus unseren unruhigen Zeiten gefallenen Werkes nicht widerstehen und gab Anh Hung Tran den Regiepreis. Das Auswahlkomitee des Landes reichte den Film, der gewissermaßen französische Lebensart propagiert, für den Auslands-Oscar ein.