Historisches Museum gedenkt der Inflation 1923 »Krieg, Geld, Trauma«

Derart ins Schwarze zu treffen, das hätte man sich im Historischen Museum bei der Planung der Ausstellung zum 100-jährigen Gedenken der großen Geldentwertung von 1923 wohl nicht vorstellen können. Wenn es in den Anfängen des Projekts vor drei, vier Jahren ein Thema im Bereich der Staatsfinanzen gegeben habe, dann sei das eher das der Deflation und Stagnation gewesen, schickt HMF-Chef Jan Gerchow allen weiteren Erläuterungen bei der Vorstellung der neuen HMF-Schau »Inflation 1923. Krieg, Geld, Trauma« voraus. Nach Monaten aber der unablässigen Verteuerungen des täglichen Einkaufs und in der Ungewissheit der weiteren Entwicklung hat das Thema uns inzwischen eingeholt und wesentlich sensibler gemacht. Erstaunlich ist auch, dass das Stadtmuseum am Römer als einziges deutsches Museum die Idee hatte, dieses unschönen Jubiläums in einer Ausstellung zu gedenken.
Die bis zum 3. September laufende Schau geht ihr Thema mit starken Informationsfundus von Grund auf in insgesamt sieben Abteilungen an. Begonnen wird mit einer Begriffsklärung, was eine Inflation denn überhaupt ist, gefolgt von historischen Beispielen der Geldentwertung bis zurück in der Römerzeit, im China des 14. Jahrhunderts und im Laufe der Französischen Revolution. Das besondere Augenmerk im Erdgeschoss des Stadtmuseums aber gilt dem Zusammenhang von Krieg als Auslöser von Inflation und politischer Destabilisierung. Die Ausstellung zeichnet dezidiert die Dynamik der schon im Ersten Weltkrieg einsetzenden Geldentwertung nach, als ausbleibende militärische Erfolge die Aussicht schwinden ließen, mit den kriegsbedingten Staatsschulden auch die ausgegebenen Kriegsanleihen durch schnelle Annexionen zu amortisieren, wie dies noch 1870/71 zum allgemeinen Wohlgefallen der Deutschen auf Kosten Frankreichs gelungen war. Die Inflation fand in Schüben statt und kulminierte mit der Einstellung der deutschen Reparationszahlungen 1923 und nach der Ermordung des deutschen Außenministers Rathenau. Mit Filmen, Fotos, Karikaturen, Zitaten und einem veritablen Waschkorb voller gebündelter Billionengeldscheine illustriert das HMF das mit der Herausgabe der Rentenmark im November jäh endende Trauma. Der Star unter den Exponaten aber komm als Leihgabe vom Hanauer Stadtmuseum: ein aus entwerteten Geldscheinen mutmaßlich zum Karneval geflochtenes Kleid. Auf die leichte Schulter wurde die große Entwertung der deutschen Privatvermögen indes nicht genommen. Im kollektiven Gedächtnis traf die Krise das deutsche Gemüt jedenfalls härter als die Kriegsniederlage 14/18.

gt / Foto: Inflationskleid aus Inflationsgeld, um 1923
© Museen der Stadt Hanau, Kai Jakob
Bis 10. September: Di.–So., 11-18 Uhr
www.historisches-museum-frankfurt.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert