Hochvergnüglicher Albtraum

Die Volksbühne im Großen Hirschgraben und das Ensemble Modern präsentieren Heinrich-Hoffmanns »Struwwelpeter« als Grusical 

Wiewohl eine Perle, vielleicht sogar die Blaue Mauritius aus dem Repertoire des Hauses, bleibt Matthias Faitz‘ musiktheatralische Inszenierung des legendären »Struwwelpeter« eine Rarität. Das Stück mit dem die Frankfurter Volksbühne im Großen Hirschgraben ihr gleich vielfach verspätetes, aber euphorisch umjubeltes Entrée in die Theaterwelt der Stadt im Januar 2020 bestritt, gab es in der nun vier Jahre währenden Geschichte trotz dieses Erfolgs lediglich neun Mal im Cantate-Saal zu sehen. Der Grund dafür ist die terminliche Abstimmung aller Beteiligten, handelt es sich doch um die mit vielen Beteiligten vollzogene Zusammenführung zweier Kunstsparten und ihrer Akteure, die weiter voneinander entfernt sich kaum denken lassen: Die Liaison des seinem Standort bis in das Mundartliche hinein verbundenen Volkstheaters mit seinen Bühnenstars Sabine Fischmann und Michael Quast mit dem auf Weltniveau agierenden avantgardistischen Orchester des Ensemble Modern, dessen Mitglieder Uwe Dierksen, Christian Hommel und Hermann Kretzschmar das vom Frankfurter Nervenarzt Heinrich Hoffmann für seinen Sohn verfasste Werk vertonten. Künstlerisch wertvoller geht es nicht. Nur ist es kein leichtes Unterfangen, die vielbeschäftigten und vielreisenden Musensöhne und Musentöchter gemeinsam auf die Bühne zu bringen.

Vom 22. April an ist es wieder soweit. Vier Vorstellungen dieses gleich dreifachen »Treffens der Frankfurter Art«, wie es in der Ankündigung heißt, stehen im Cantate-Saal an. Geboten werden vor wechselnden Bühnenkulissen die bizarren, bösen und durchaus auch grausamen Geschichten von Figuren, die allesamt längst Legende sind, mit frappierender Mimik und großen Gesten von Fischmann/Quast zum Leben erweckt und untermalt mit den passenden kakophonischen Klängen des Ensembles Modern. Wie auch anders? Denn keine der Geschichten, die der schwarze Pädagoge Hoffmann seinem Sohne zu Gemüte führt, käme heute ohne Trigger aus, wenn sie nicht gar verboten würde. Vom Daumenlutscher Konrad, dem man dieselben mit der Schere abschneidet, über den Hungertod des Suppen-Kaspar, bis hin zum brennenden Paulinchen und dem bitterbösen Tierquäler Friedrich. Keine Frage, dass dieser zehnteilige Albtraum aus Kindertagen auch dieses Mal wieder aufs Beste unterhält. Nachhaltiger als mit Minz und Mauz (siehe Foto) lässt sich gewiss nirgendwo weinen. gt

Termine:21., 26., 27. April 19.30 Uhr, 28. April 17.00 Uhr

Fotos: Niko Neuwirth

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