Als »Partizipation an der Partizipation« begreift Martina Droste, die Leiterin des Jungen Schauspiels Frankfurt, das Performance-Projekt »Und du bist raus« im Stadtlabor des Historischen Museums Frankfurt. Unter ihrer Regie hat ein eigens dafür ausgesuchtes (gecastetes) siebenköpfiges Ensemble die dort noch bis zum 11. August laufende Ausstellung »Demokratie: Vom Versprechen der Gleichheit« durchforstet, um in einer sich über acht Wochen ziehenden Auseinandersetzung mit deren Themen eigene Positionen, Kommentare, Fragen und Setzungen künstlerisch zu entwickeln. Die vor allem an Jugendliche adressierte Laborschau ist ein Beitrag zum 175-Jahre-Jubiläum der Paulskirchenversammlung von 1848 und führt über 20 Stationen durch vier Abteilungen, in denen es um die Fundamente, die Kämpfe, die Grenzen und um die Vision der Demokratie geht und überall die Gelegenheit besteht, sich selbst einzubringen. Und genau meint Partizipation an der Partizipation: »Und du bist raus« ist aber auch ein performativer Parcours im Parcours.
Es beginnt mit einem von Percussions (Musik: Max Mahlert) unterlegten rhythmischen Gang der Sieben rund um das Stadtmodell von Frankfurt im dritten Stock des Gebäudes. M mal gehen sie gebeugt, mal hoch aufrecht gestreckt, immer eckig, Schattenfiguren à la Wilhelm Busch kommen da in den Sinn, allerdings sind diese hier kunterbunt von Anna Sünkel kostümiert, mit individuellen Noten, wie wir nach und nach merken, wenn wir da ein Tigerfellmützchen, dort eine Strumpfhose mit Tattoo-Mustern, ein launiges Jazz-Jacket entdecken oder uns über eine aus der Zeit gefallene Corsage wundern. Erst aber mal Stille, bis ein Teilnehmer »Ich bin Ausländer« sagt. Dann hören wir »Ich bin ein Mensch in Freiheit« und »Ich bin Tochter, Besitzerin, Kämpferin«. Mit Namen stellt sich niemand vor, auch wenn wir im Laufe der kommenden 90 Minuten viel von ihnen hören, auch viel Persönliches, auch über Namen, die Fragen nach Herkunft nach sich ziehen.
Schon der Titel der nun durch den Ausstellungsraum kursierenden Performance lässt ahnen, dass es vor allem die Grenzen der Demokratie sind, an denen man sich reibt. Daran, dass »das Versprechen der Gleichheit« ein vielfach noch einzulösendes ist. Von Gleichheit kann gewiss nicht die Rede sein für die aus Afrika nach Deutschland gelangte ältere Frau, die erzählt, wie sie sich ohne Schutz als unterbezahlte Putzkraft in einem Hotel verdingen musste. Wir sehen sie auf einem Monitor, das, was sie sagt, gibt von Katja Grazerstein erst auf Englisch wieder, um dann den Teufelskreis all jener zu benennen, die ohne Wohnung keine Arbeitserlaubnis, ohne Arbeitserlaubnis keine Arbeit und ohne Arbeit keine Wohnung erhalten. »Wer hier geboren ist, hat Rechte, die anderen nicht gegeben werden«, lautet das Resümee der in Deutschland geborenen Tochter russischer Eltern. Sie sehe weiß aus und spreche aktenfrei Deutsch, sagt sie. »Es hat noch nie jemand bezweifelt, dass ich dazu gehöre«. »Und welche Privilegien hast du nicht«, fragt sie ihr Mitspieler Matteo Schultheis. »Die von Männern. Ich bin gerne eine Frau, aber manchmal werde ich nicht gerne wie eine Frau behandelt«.
Ein Gedankensprung evoziert einen starken Satz, dem viele starke Sätze folgen. Stets mit Bedacht gesetzt, nichts kommt hier aus dem Bauch, auch wenn es bisweilen kakophonisch von allen Seiten auf uns einzustürmen scheint. Inhaltlich geht es immer wieder um versagte Rechte, sie kreisen um Vorurteile, diskriminierende Behörden, Institutionen, Ressentiments, soziale Gefälle, Umweltschutz, Rassismus. Und darum, was denn bitteschön Deutsch-sein heißt. »Wann ist man deutsch genug?«, fragt Max Kleemof, der aus der Ukraine kommt und hört, dass er zu denen gehört, die willkommener scheinen als andere. Und Quynh Fahrenwald, deren Familie aus Vietnam kommt, fragt: »Was ist ein deutsches Gesicht?«
Nicht um das »Woher?« sondern das »Wohin?« müsse es gehen, fordern die Spieler und Spielerinnen, bevor sie sich in einer der schönsten Szenen dieser oft berührenden, bisweilen auch verstörenden, irritierenden, doch aufrüttelnden Reise im Bio-Chor der Bäume als »echte deutsche Wurzelwildnis« proklamieren. Ganz im Sinne von Alexander Hamischs Bürgerlied »Ob wir rote gelbe Kragen« (1845) heißt, mit dem das Ensemble singend durch die Stationen cruist. Erst im Septett, dann als Schar mit vielen ihrer Begleiter.