Es war eine nervös flimmernde Zeit, begleitet von politischen und gesellschaftlichen Abstürzen, Aufbrüchen und Höhenflügen, in die sich die Biografie von Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) hinein verwob – und er befand sich in dieser aufgewühlten Ära stets mittendrin im kulturellen Diskurs. Anlässlich seines 150. Geburtstages präsentiert das Freie Deutschen Hochstift jetzt seinen Nachlass in einer ganz besonderen Ausstellung. Es hat seine umfangreichen Archive befragt und in Zusammenarbeit mit dem Theatermuseum Wien eine Ausstellung komponiert, die die Aura dieser Zeitspanne zwischen den beiden Weltkriegen und deren künstlerischer Wirkmächtigkeit zu spiegeln versucht.
Hugo von Hofmannsthal – ein über-intellektuelles Wunderkind, das mit sechs Jahren Briefe an seinen Vater schrieb, die ein unglaubliches Wissen offenlegen, das sich mit 17 Jahren dem Kreis um Stefan George anschloss, mit Arthur Schnitzler einen Literaturkreis gründete, um dann mit Max Reinhardt, Alfred Roller und Lovis Corinth ein Theater zu erschaffen, auf das der Begriff »Mythos« tatsächlich einmal nicht verschwendet ist. Alles neu denken, aufräumen mit Traditionen – dies könnten die Leitlinien seines intellektuellen Universums gewesen sein.
Und da passt es doch gut, dass man im Romantikmuseum nun eine gewundene Treppe in den Grunelius-Saal hinab steigt wie in einen Theatersaal, um diesen Schatz in Augenschein zu nehmen. 14 Szenen – thematische Vitrinen – sind vom Licht umflossen, der Rest des Saales versinkt im Schummerlicht. Dabei stand das Kuratorenteam Katja Kaluga und Konrad Heumann vor der Aufgabe, wie lassen sich Schriften spannend und gleichzeitig poetisch inszenieren? Indem man sie einfach selbst als Kunstwerke gestaltet, die stets eine Vorder-und eine Rückseite haben, zum Beispiel …
Bevor eine biografische Informationsleiste in sein Leben einführt, wird noch ein jüngst erworbener Brief von Rainer Maria Rilke an Hofmannsthal nach einem Besuch seiner Theaterstücke zum Thema. Vom »unersättlichen Verschwender« schreibt Rilke. Der Besetzungszettel offenbart, dass es damals gar keinen Regisseur im eigentlichen Sinn gab, nur halt jemanden, der die Abläufe auf der Bühne überwachte. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Hofmannsthal spottete dann auch über »antikisierende Banalitäten«, die im Theater seiner Väter zu sehen waren, und machte sich daran, mit dem kongenialen Regisseur Max Reinhardt die Grenzen des bisher Üblichen aufzusprengen.
Die Schaukästen als chronologisch geordnete Stationen erzählen von seiner Beziehung zu Stefan George, seiner Heirat mit der hübschen Gerty Schlesinger bis zu seinen verlegerischen Ambitionen mit dem Insel Verlag. Die erste Vitrine ist seinem Briefwechsel mit den Eltern – hauptsächlich mit dem Vater – gewidmet, der immerhin 2.200 Episteln umfasst. Hofmannsthal, später einer der wichtigsten österreichischen Vertreter der Moderne, hatte schon als Gymnasiast Aufsehen erregende Lyrik verfasst, im assoziativen, von Traumbildern geleiteten Stil, der sich von den Moden des Historismus und Naturalismus abwandte. Er liebte Verkleidungen und Spiele, verschmolz Material aus vielen historischen Epochen, setzte Figuren in andere Zusammenhänge und amalgierte sie zu etwas Neuem, siehe »Jedermann«, siehe »Elektra«. Stil, Kostüme, alles choreografierte Hofmannsthal durch, mit Max Reinhardt, als »seinem« Regisseur. Bühnenbildner Alfred Roller schuf für die Uraufführung von »Elektra« im Jahr 1903 ein monumentales Felsentor als Kulisse, was eine unglaublich theatralische Kraft entfaltete. Expressiv, laut, sinnlich, blutrünstig, hasserfüllt – sie verwandelten die Bühne in einen »suggestiven Raum der Emotionen«.
Im Jahr 1905 besuchte Richard Strauss die skandalumwitterte Aufführung – alles andere als eine antikisierende Banalität – und entschloss sich dazu, eine Oper zu komponieren. Es folgten »Ariadne auf Naxos« und »Der Rosenkavalier«.
Dass »Jedermann« – das heutige Symbol für die von Max Reinhardt und Hofmannsthal ins Leben gerufenen Salzburger Festspiele, eigentlich als Lückenbüßer für ein anderes mittelalterliches Mysterienspiel herhielt, lässt sich heute kaum noch vorstellen. Aber dass damit eine Bühne für ein internationales, gut betuchtes Publikum geschaffen wurde, wo auch schon mal ein hübsches US-Millionärstöchterlein die Buhlschaft verkörperte – durchaus nachvollziehbar.
Hofmannsthal hinterließ mit »Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation«, einen später publizierten, im Januar 1927 gehaltenen Vortrag in Münchner Auditorium Maximum, in dem er von einer »konservativen Revolution« sprach, ein janusköpfiges Erbe. Von »visionären Deutschen mit Anspruch auf Lehrerschaft und Führerschaft« war darin die Rede. Seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen wurden in späteren Kontexten durchaus als nationalistisch, wenn auch nicht nationalsozialistisch interpretiert.
Den Autor auf diese Art und Weise als Spiegel seiner Zeit zu inszenieren und ihm trotzdem seine Einzigartigkeit zu belassen – eine sehr kluge Idee.