»Hundschuldig« von Laetitia Dosch

In der Regel drehen sich Gerichtsdramen um die Frage: schuldig oder unschuldig. In dem Film von Laetitia Dosch scheint diese Frage von Beginn an geklärt. Der Angeklagte hat die Tat begangen, über die juristisch verhandelt wird, das ist unstrittig. Doch ist seine Schuld so groß, dass er mit dem Tod bestraft werden muss? Hat der Angeklagte nicht seiner Natur gemäß reagiert? Denn bei ihm handelt es sich um einen Hund.

Die französische Schauspielerin Laetitia hat sich von einem Fall in der Schweiz zu einem Drehbuch inspirieren lassen und neben der Hauptrolle auch gleich die Regie übernommen. Das Entscheidende in ihrem Film, der im Original ganz schlicht »Le procès du chien« heißt, ist aber, dass sie den Titel ernst genommen und den angeklagten Hund ganz wörtlich vor Gericht gestellt hat.
Die von Dosch gespielte Anwältin Avril braucht dringend einen Erfolg, droht doch nach einigen Niederlagen die Geduld ihres Chefs Jérôme (François Damiens) am Ende zu sein. Und so steht der ziemlich aggressiv und nicht vielversprechend auftretende Dariuch Michowski (François Damiens) kurz vor dem Hinauswurf. Nur der treue Blick seines Hundes Cosmos (Kodi) kann das gerade noch verhindern. Der im Grunde herzige Vierbeiner hat eine Hausangestellte (Anabela Moreira) ins Gesicht gebissen, als er beim Fressen von ihr gestreichelt wurde. Und für bissige Hunde ist die Einschläferung gesetzlich vorgeschrieben.
Die tierliebe Avril kann dem Hundeblick nicht widerstehen, und zudem gehört das sehbehinderte Herrchen ganz offensichtlich zu den Benachteiligten in der Gesellschaft, die Nachsicht verdienen. Gleich zwei Sozialfälle lassen die Anwältin also einlenken und die Verteidigung von Cosmos übernehmen.
Schon die beschönigende Bezeichnung einer Tötung deutet daraufhin, dass es hier nicht um ein vollwertiges Lebewesen, sondern gewissermaßen um eine Sache geht. Und an diesem Punkt setzt Avril mit ihrer Verteidigung an. »Wir müssen den Status eines Hundes neu definieren«, sagt sie. Glücklicherweise findet sie beim Richter (Mathieu Demy) ein offenes Ohr. Er lässt Cosmos als Angeklagten zu, was zu dem kuriosen Bild eines Hundes im Mittelpunkt eine Gerichtssaales führt.
Der Film will aber mehr sein als eine skurrile Justizkomödie. Ernsthaft widmet er sich unserem zwiegespaltenen Verhältnis zu Tieren. Das betrifft nicht nur den Unterschied, den wir zwischen Haus- und Nutztieren machen. Das trifft auch auf Haustiere zu. Obwohl wir sie nicht als Dinge, sondern oft als Familienmitglieder ansehen, verweigern wir ihnen im Konfliktfall elementare Rechte. Zum Beispiel das Recht, sich zu wehren. Denn wenn ein Hund zubeißt, kann es sein, dass er nur ausdrückt: Nein, das darfst du nicht! Jetzt bitte nicht streicheln!
Als noch dazu herauskommt, dass Cosmos speziell mit Frauen so seine Probleme hat, eskaliert die Stimmung in der Bevölkerung, die bis dahin mit Sympathie auf der Seite des Angeklagten stand. Jetzt wird ihm auch noch Frauenfeindlichkeit vorgeworfen.
Laetitia Dosch belässt es in ihrem Regie-Erstling aber nicht bei dem Gegensatz zwischen bisweilen klamaukiger, bisweilen schwarzer Komödie, einem anrührenden Tierporträt und ernstgemeinten philosophischen Anmerkungen. Sie erzählt auch noch von Avrils kameradschaftlicher Beziehung zum Nachbarsjungen Joachim (Tom Fiszelson), der von seinen Eltern anscheinend misshandelt wird (was der Film im Unklaren lässt). Mangelnder Respekt spielt auch hier eine Rolle.
Nicht immer passt alles zusammen. Manchmal ahnt man mehr den Sinn, als dass dieser deutlich würde. Manchmal geht ein Witz daneben. Und auch das Ende entspricht nicht den Erwartungen des Publikums. Doch all das macht den außergewöhnlichen Film interessant, der 2024 in Cannes in der Sektion Un Certain Regard gezeigt wurde, wo der vierbeinige Filmstar Kodi den einzigartigen Palm Dog Award erhielt.

Claus Wecker / Foto: © 2024 Bande à Part Films – Atelier de Production – France 2 Cinéma – RTS Radio Télévision Suisse – SRG SSR
>>> TRAILER
Hundschuldig (Le procès du chien)
Komödie von Lætitia Dosch, F/CH 2024, 81 Min.
mit Lætitia Dosch, Anne Dorval, François Damiens, Pierre Deladonchamps, Jean-Pascal Zadi, Kodi
Start: 13.02.2025

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