Die dunkle Seite Roms. Eine Ausstellung im Archäologischen Museum

Man kann es auch als Krimi betrachten. Tatort gefunden: ein Massengrab. Täter und Tatzeit bekannt: unter römischer Gerichtsbarkeit zwischen dem 4. und 3. Jahrhundert. Aber wer sind die Opfer, und wo liegt das Tatmotiv? Das aufzuklären bemüht sich gerade das Archäologische Museum in seiner aktuellen Ausstellung mit Mitteln der forensischen Anthropologie.
Beginnen wir mit dem Bekannten: als im Jahr 2011 Archäologen eine Nekropole mit Einzelgräbern der römischen Stadt Scupi – Colonia Flavia Scupinorum – erforschten, stießen sie auf einen abfallgefüllten Graben, der die sterblichen Überreste von etwa 200 Personen enthielt. Die Fundstätte Scupi liegt heute in unmittelbarer Nähe des Dorfes Zlokukjani fünf Kilometer nordwestlich der heutigen Hauptstadt Nordmazedoniens Skopje. In römischer Zeit war Scupi mit etwa 44 Hektar eine der größten römischen Städte auf dem Balkan, die größte im heutigen Nordmazedonien und im Status einer römischen Kolonie. Was sich auch leicht mit ihrer Lage an der Kreuzung zweier Hauptverbindungsstraßen auf dem Balkan begründen lässt, die die Donau mit der Ägäis und das Adriatische Meer mit dem Schwarzen Meer verbanden. Die Kolonie erblühte wirtschaftlich, kulturell, wurde administratives und religiöses Zentrum. Vom hohen zivilisatorischen Standard sprechen Abwassersysteme, Fußbodenheizung in den Häusern, gepflasterte Straßen, öffentliche Bäder, Bodenmosaiken, Wandmalereien und sogar Glasfenster. Kurzum: es war DER wirtschaftliche Knotenpunkt. Und kulturhistorisch immens interessant.
Die umfangreichen archäologischen Arbeiten auf dem Territorium legten nun am Südrand der römischen Nekropole diesen Graben frei. Darin befanden sich etwa 200 Skelette. Nahezu alle waren in identischer Haltung abgelegt, niemand lag auf der Seite, fast alle lagen auf dem Bauch oder Rücken. Und damit begannen die Fragestellungen: wer sind sie, warum lagen sie in dieser Grube, gibt es Hinweise auf Alter, Geschlecht, Körpermaße? Die anthropologischen Merkmale waren bald ermittelt: Es handelte es bei 190 von ihnen um Männer mit robustem bis starkem Körperbau. Auch bei der Bestimmung des Alters ließ sich eine relative Homogenität ermitteln: acht Prozent waren unter 21 Jahre, der älteste etwas 60, zwei Drittel gehörten der Altersgruppe zwischen 20 und 40 an, die meisten darunter 35 bis 40 Jahre. Die kleinste Person maß 1,64 m, die größte 1,77 m. Und alle trugen Verletzungspuren.
Und die Detektivarbeit ging weiter: Der Verschleiß der Skelette ließ auf große körperliche Belastung schließen, sie wiesen Marschfrakturen auf, Boxfrakturen, Wirbel- und Knochenbrüche. Dies belegt, dass die Gruppe der 200 mit hoher körperlicher Gewalt konfrontiert war. Wer waren sie? Und warum das Massengrab?
Und hier nun verjüngen sich verschiedene Deutungsperspektiven auf eine einzige: Das Museum zeigt in Vitrinen und Schaubildern Knochen- und Schädelfunde, teilweise mit noch erhaltenem Gebiss, es zeigt die Fundstellen, die Grabungsarbeiten, plastische Rekonstruktionen der Köpfe und zeichnerische Rekonstruktionen der Körper sowie die Körperhaltung beim voraussichtlichen Tod. Funde von der Abfallhalde, mit der der Graben aufgefüllt wurde, lassen die zeitliche Datierung zwischen dem 3. und frühen 4. Jahrhundert zu. Damals herrschte tatsächlich eine Reichskrise wie man aus anderem Quellenmaterial weiß, es war eine Epoche der gewaltsamen Umstürze und militärischen Revolten. So liegt die Annahme sehr nahe, dass es sich bei den Männern um durch einen Schwerthieb enthauptete Soldaten handeln könnte, denn Enthauptungen galten damals als die ehrenvollste Methode der Hinrichtung, die Soldaten zustand. Die detektivische Feinstarbeit hat eine weitere Geschichtslücke geschlossen.

Susanne Asal / Foto: Blick auf das Massengrab, © Museum der Stadt Skopje
Bis 15. Juni: Mi., 10–20 Uhr; Do.–So., 10–18 Uhr
www.archaeologisches-museum-frankfurt.de

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